Minen der Zukunft
Wenn vom Klimawandel die Rede ist, dann stehen üblicherweise die CO2-Emissionen durch fossile Brennstoffe bei der Energiegewinnung im Mittelpunkt der öffentlichen und politischen Diskussion. Und so werden unter dem Stichwort Innovation technologische Lösungen gesucht, um die Emissionen zu verringern, das CO2 aus der Luft zu filtern und irgendwo im Erdreich zu binden oder in großem Maßstab erneuerbare Energien zu produzieren. Prognosen zufolge wird der Energiebedarf zukünftig immer weiter steigen, vorgeblich vor allem wegen des globalen Bevölkerungswachstums. Keine Frage, technische Lösungen zur CO2-Neutralität oder besser noch zur CO2-Vermeidung sind zwingend notwendig. Doch die Tatsache, dass die Ursachen des Klimawandels nicht eindimensional und die CO2-Emissionen eher ein folgenschweres Symptom des grundsätzlichen Raubbaus an unseren Lebensgrundlagen darstellen, wird selten thematisiert. Der Ausstellungskatalog „Into the deep“ bildet wie die gleichnamige Präsentation im Zeppelinmuseum Friedrichshafen diesbezüglich eine rühmliche Ausnahme.Der grenzenlose Rohstoffhunger
Into the deep beschäftigt sich also mit den Folgen des offensichtlich unstillbaren Bedürfnisses unseres wachstumsorientierten Wirtschaftssystems nach Rohstoffen. Dem fallen nicht nur die Regenwälder, das Grundwasser, riesige Ökosysteme oder Kulturen, Gesellschaften und Spezies unserer bekannten Welt zum Opfer. Die Ausbeutung unseres Planeten hat sich längst auf Regionen ausgedehnt, deren Ökosysteme und ihre Bedeutung für unser Überleben noch nicht einmal ansatzweise bekannt sind. Und während die Produktion der ständig wachsenden Mengen an kurzlebigen Konsumgütern, Plastikmüll und Umweltgiften mit langfristig CO2-neutraler Energie ihren Teil zur Verschmutzung der Meere und Böden den materiellen Wohlstand eines Teils der Weltbevölkerung erhöht, wird bereits die hemmungslose Ausbeutung der Rohstoffquellen in der Tiefsee und auf den umliegenden Himmelskörpern projektiert.
Die Idee der Kreislaufwirtschaft
Ein Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Hand: Aluminium, das die Industriegeschichte der Stadt mit der Zeppelingeschichte geprägt hat. Dieses leichte Metall, das in großen Mengen u.a. in Form der Metallskelette von Flugobjekten aber auch unzähligen Wegwerf-Konsumartikeln verwendet wird, verursacht beim Abbau seines Rohstoffes Bauxit erhebliche Umweltzerstörungen. Als besonders wertvolles Material wurde es im 20. Jahrhundert regelmäßig wiederverwendet und dieser Recycling-Gedanke stellt auch einen Ansatzpunkt für den Ansatz der Kreislaufwirtschaft dar, den die Ausstellungsmacher so konsequent wie nur irgend möglich bei Aufbau und Gestaltung der Ausstellung angewendet haben. Diesem Aspekt ist neben der Auseinandersetzung mit dem Werkstoff Aluminium ein umfassendes Kapitel gewidmet.
Wissenskultur – versus Wachstumsideologie
Ergänzt wird der auf die Sammlungsgeschichte des Museums bezogene Teil durch Arbeiten und Installationen von fünf zeitgenössischen KünstlerInnen, die sich mit ihren Installationen sehr anschaulich und informativ mit den ökologischen, sozialen und politischen Problemen befassen, die sich aus den „Minen der Zukunft“ in der Tiefsee (Deep Sea Mining) und im All (Deep Space Mining) ergeben. Vorgestellt und erläutert werden diese Installationen in Form von recht umfangreichen Interviews, in denen die KünstlerInnen nicht nur Konzept und Intention ihrer Werke preisgeben, sondern die LeserInnen auch mit harten Daten und Fakten und Hintergrundinformationen zu den jeweils aufgegriffenen Themen versorgen. Kreativ-/Aktionsseiten für die LeserInnen runden den ungewöhnlichen, vielschichtigen und nicht nur hinsichtlich seiner materiellen Produktion nachhaltigen Ausstellungkatalog ab.
Claudia Emmert / Jürgen Bleibler / Ina Neddermeyer / Zeppelin Museum Friedrichshafen (Hrsg.): Minen der Zukunft / Mines of the future. Deutsch & englisch. Neofelis 2023. Softcover, mit zahlreichen Abbildungen und reich illustrierten Kreativseiten, 184 Seiten.
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