Montag, 15. März 2021

Die außergewöhnlichen Welten des Jules Verne

Seine Protagonisten reisten um die Welt, in den Tiefen des Meeres, zum Mittelpunkt der Erde oder gar zum Mond. Vor allem Letzteres dürfte Jules Verne den Ruf als Begründer des Literaturgenres der der Science Fiction eingebracht haben. Aber auch, wenn Verne die technischen Möglichkeiten und Kenntnisse seiner Zeit in seinen Romanen durchaus phantasievoll umgesetzt hatte, futuristische, technologische Visionen fanden im Grunde nur am Rande, eher als Mittel zum Zweck Eingang in das umfangreiche literarische Schaffen des leidenschaftlichen Geographen. Jean-Yves Paumier präsentiert den Autor in seinem Buch „Die außergewöhnlichen Welten des Jules Verne“ als Entdeckungsreisenden in dessen historischer Welt an den von ihm literarisch (und teilweise auch persönlich) aufgesuchten Schauplätzen der Reiseabenteuer seiner Helden und unternimmt dabei seinerseits mit seinen Lesern eine geographische Zeitreise.

Jules Verne, Schriftsteller und Geograph

Im ersten Teil „Das Universum des Jules Verne“ befasst sich Jean-Yves Paumier mit Vernes realer Welt, seiner Biografie und den Ursprüngen und Anregungen seines literarischen Schaffens. Jules Verne hatte einen Faible für das Meer uns so fanden die meisten Reisen, die er unternommen hatte nicht zufällig zu Wasser statt. Sei es auf Linienschiffen nach England, Schottland (1859) oder Skandinavien (1861), sei es bei der Atlantiküberquerung auf dem legendären Riesenschiff Great Eastern (1867) sei es seit 1868 auf seiner eigenen Jacht, mit der er Nord- und Ostsee, Ärmelkanal und Atlantikküste oder das Mittelmeer bereiste. Im zweiten Teil stellt Paumier die unbekanntere aber beileibe nicht unbedeutendere Seite Vernes als Geograph vor. Denn die meisten der von ihm in seinen über 100 Werken beschriebenen Orte hatte er nie selbst gesehen. Dafür schöpfte er unter anderem aus dem Fundus der Société de Geographie, der er 1865 im Alter von 37 Jahren als Mitglied beigetreten war. Tatsächlich zeichnete sich Jules Verne neben seinen phantastischen Reiseromanen durch eine Reihe von geographischen Sachbüchern aus, die in Fachkreisen eine hohe Anerkennung erfuhren. So zum Beispiel die 1867 erschienene „Geographie Frankreichs uns seiner Kolonien“, oder das dreibändige Werk „Die Entdeckung der Erde“, erschienen zwischen 1870 und 1880.

Zeitreise mit Verne, Fogg & Co

Im Dritten Teil seines Buches folgt Jean-Yves Paumier dem Romanautor Jules Verne in dessen literarisches Universum der bekannten und unbekannten Welten, beginnend mit dem alten Europa, dessen Orte in seinen „Außergewöhnlichen Reisen“ von Verne nur am Rande berücksichtigt werden. „Es wirkt“, so Paumier, „als könnten sie mit zu wenig Mysteriösem oder Exotischem aufwarten.“ Und dennoch lieferten beispielsweise die persönlich bereisten Regionen wie Schottland oder Skandinavien eine Menge Inspirationen auch für einige seiner bedeutenderen Werke, als Beispiel sei hier „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ genannt. Paumier reist auf den Spuren von Vernes Romanhelden von Kontinent zu Kontinent. Dabei gelingt es ihm sowohl anhand der fiktiven Erlebnisse als auch der historischen Hintergründe, den Leser gewissermaßen mitzunehmen und zum Zeitzeugen zu machen. Fiktion und historische Wirklichkeit verschmelzen dabei zu einer eigenen Reisegeschichte, die immer wieder mit interessanten Aspekten aufwarten kann.

Abenteuer Geschichte - Abenteuergeschichten

So zeigt sich, dass Verne abgesehen von den phantastischeren Geschichten wie die Reise zum Mond oder die Reise zum Mittelpunkt der Erde bei aller Fiktion doch recht nahe an der Realität bleibt. Im Grunde eilen seine Ideen und Gedanken der Wirklichkeit oft nur um wenige Jahre voraus. Das wird etwa deutlich, wenn Reisende mit der transasiatischen Eisenbahn eine Strecke bewältigten, die zwar geplant, am Ende jedoch nie gebaut wurde. Ebenso hat seine (zeitlich undatierte) Geschichte „Hector Servadac“ das nie realisierte Megaprojekt zum Thema, in der Sahara ein Binnenmeer zu schaffen. Entstanden war die Idee, die nicht zuletzt von Ferdinand de Lesseps unterstützt wurde, 1874. In „Der Einbruch des Meeres“ (1905) greift Verne das Projekt noch einmal auf und verlegt es in das Jahr 1930. Immerhin wurde das Sahara-Meer-Projekt bis in diese Zeit immer wieder diskutiert.

Macht Lust auf mehr

Neben den Verweisen auf die Werke Jules Vernes fließt in die Zeitreise Paumiers auch immer wieder Biographisches des Schriftstellers mit ein. Und so entsteht ein spannendes Geflecht von Begegnungen mit fiktiven Helden, dem Autor, mit Kulturen, historischen und politischen Ereignissen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Trotz aller Phantasie war Jules Verne (und mit ihm der Leser dieses Buches) auch in den meisten seiner Werke der Realität seiner Zeit weitaus näher als vielfach angenommen. In jedem Fall regt die Lektüre der „außergewöhnlichen Welten des Jules Verne“ dazu an, sich dessen Werke unter neuen Aspekten noch einmal zu Gemüte zu führen und in diesem Zusammenhang auch zu den bei uns weniger populären Büchern des Autors zu greifen.

Jean-Yves Paumier: Die außergewöhnlichen Welten des Jules Verne. Wbg Theiss 2021. Gebunden mit Schutzumschlag, 217 Seiten.

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