Sonntag, 7. Februar 2021

Fährten lesen und Spuren suchen

Das Handbuch

Es beginnt meist so harmlos: Man streift durch Wald und Flur und der Blick fällt auf eine Spur von Pfotenabdrücken um Schnee, im Schlamm oder im weichen Boden des Waldweges. Manchmal führt sie den Weg entlang, manchmal kreuzt sie hin und her, manchmal verschwindet sie im Gebüsch oder verblasst, endet einfach irgendwo. War es ein Hund, eine Katze, gar eine wilde? Oder vielleicht ein Fuchs, Waschbär, Luchs? Die Phantasie beginnt sich selbständig zu machen, wenn sich dem inzwischen geschärften Blick andere Spuren, etwa von Wildschweinen, Rehen oder Hasen offenbaren. Aber Phantasie ist das eine, Wissen das andere. Und so neigt der naturfreundliche aber doch ein wenig unerfahrene Spaziergänger dazu, sich mit geeigneter Literatur auszustatten, wie beispielsweise dem Handbuch des englischen Biologen Nick Baker, Fährten lesen und Spuren suchen.

Mit Gips und Lupe in die „Pampa“

Ein guter Griff möchte ich meinen, denn dem Leser werden hier nicht nur die unterschiedlichen Trittsiegel präsentiert, deren Zuordnung zu entsprechenden Arten natürlich zu den zwingenden Grundlagen der Tierbeobachtung bzw. des Spurenlesens gehört. Bereits ein Blick ins Inhaltsverzeichnis und die ersten Kapitel verrät: Nick Bakers Ausführungen sind durchaus für ambitioniertere Fährtenleser geeignet. So findet der Leser im Abschnitt „Was man mitbringen sollte“ beispielsweise Utensilien wie Notizbuch und Bleistift, Lineal, Druckverschlussbeutel, Lupe, Pinzette, Kamera und nicht zuletzt Gips, Fährtenstock und feuchte Reinigungstücher. Der Leser ahnt: Das Basisinteresse an den Spuren der meist unsichtbar bleibenden Wald- und Flurbewohner könnte sich zum leidenschaftlichen Hobby entwickeln. Tatsächlich richtet sich der Autor mit seinem Handbuch zunächst durchaus an unerfahrene Laien, zumindest didaktisch und hinsichtlich des Buchaufbaus.

Wenn Spuren Geschichten erzählen

Im Mittelpunkt stehen nämlich tatsächlich die Spuren. Die Kapitel fassen jeweils nämlich nicht etwa die Spuren von Säugetieren, Vögeln oder Reptilien zusammen, sondern die verschiedenen Arten von Spuren. Und so gliedert sich das Buch in Trittsiegel und Fährten, Fraßspuren, Nester, Löcher, Exkremente oder Gewölle, denn es geht zunächst einmal darum, Spuren überhaupt zu erkennen und dann nicht nur einer konkreten Tierart, sondern auch deren Verhalten zuzuordnen. Spuren erzählen Geschichten, die zu lesen der Autor mithilfe zahlreicher aussagekräftiger Fotos, Erklärungen und Tipps lehrt. Denn dem Autor ist es wichtig, dem Leser nicht nur zu vermitteln, welche Spuren welches Tier verursacht, sondern auch, wie diese Spuren jeweils entstehen, welches Verhalten und welcher biologische Hintergrund sich hinter abgeschälten Rinden, der Anordnung von Trittsiegeln oder der Art der Ausscheidungen verbirgt.

Natur-SpuSi

Oft genug ist es so, dass erst die Kombination mehrerer Spurenarten zuverlässige Rückschlüsse auf das verursachende Tier zulässt. Auch hier scheint der didaktische Ansatz des Buches durchaus gelungen. Auf jeden Fall reizt die Lektüre dazu, diese Einführung in die Kunst des Spurenlesens auch in Natura auszuprobieren, in jedem Fall mit dem Buch, vielleicht sogar mit Wasser und Gips im Rucksack, um sich eine Sammlung von Trittsiegeln anzulegen, mit Lineal und Notizblock, um beispielsweise zu ermitteln, ob es sich bei der vorgefundenen Katzenspur um die einer Haus-, Wildkatze oder gar eines Luchses handelt oder mit Lupe, um beispielsweise auf „einer Nuss die winzigen Kratzer von den Krallen einer Wühlmaus“ zu entdecken.

Nick Baker: Fährten lesen und Spuren suchen. 2. Auflage. Haupt Verlag 2020. Flexobroschur 288 Seiten

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