Donnerstag, 4. Februar 2021

Die seltsamsten Sprachen der Welt

Von Klicklauten und hundert Arten ich zu sagen

Ob etwas seltsam ist, liegt natürlich immer im Auge des Betrachters. So erscheint uns, die wir über das „seltsame“ Gendern endlos diskutieren können, eine patriarchalisch geprägte Sprache mit einer Handvoll Vokalen und rund 20 Konsonanten völlig normal. Den Sprechern des kaukasischen Ubychischen dürfte die spartanische Lautausstattung des Deutschen recht seltsam vorkommen, schließlich verfügen sie nicht nur über 80 Konsonanten und zwei Vokale, die allerdings weisen jeweils mehrere Qualitäten auf. Allein das q kann hier auf acht unterschiedliche Weisen „vertont“ werden: Seltsam, nicht wahr?

Warum in die linguistische Ferne schweifen?

Aber um Seltsames in Sprachen zu entdecken, muss man gar keine Extreme suchen. Schon bei unseren Nachbarn gibt es Sprachliches zu beobachten, das sich zunächst unserem Verständnis entzieht. Man denke hier nur an das „behauchte h“, den „Geisterfahrer im Französischen“ wie es der Sprachwissenschaftler Harald Haarmann, Autor des Buches Die seltsamsten Sprachen der Welt, nennt. 49 Sprachen, deren Laute, Grammatik oder Denkweisen uns recht fremd vorkommen, darf der Leser auf seiner linguistischen Abenteuerreise kennenlernen, um am Ende über die Hintergründe der eigenen Sprache nachzudenken, die objektiv betrachtet hinsichtlich ihrer kulturellen Aussagen mindestens so seltsam ist, wie beispielsweise Chinesisch oder Finnisch.

Die unendlichen Möglichkeiten, sich auszudrücken

Der Leser begreift schnell, dass ihm der Autor keine Ansammlung erheiternder Skurrilitäten vorsetzt, sondern ihn in die kulturgeschichtliche Erforschung der zwischenmenschlichen Kommunikation hineinzieht. So spiegeln sich u.a. in Grammatik und Ausdrucksformen interessante gesellschaftliche Konzepte und Strukturen und die jeweilige Rolle des Individuums wider, oder auch generelle Weltsichten und philosophische Konzepte. Natürlich erschießen sich diese Feinheiten nur, wenn man sich, wie es der Autor tut, auch mit der Entwicklungsgeschichte und den kulturellen Hintergründen der Sprachen beschäftigt. Aber auch umgekehrt lässt die Sprache Rückschlüsse auf die Konzepte vergangener Kulturen zu.

Eine linguistisch/kulturelle Abenteuerreise

Klar also, dass es bei den Ausführungen nicht nur um Laute und Grammatik geht, obwohl letztere schon einen wichtigen Teil einnimmt und gewisse begriffliche Vorkenntnisse voraussetzt. Überhaupt handelt es sich nicht unbedingt um eine leichte Lektüre, spannend und unterhaltsam ist sie dennoch. Neben Grammatik und Satzbau setzt sich Harald Haartman auch mit den Themen Wortschatz, Zählsystemen und nicht zuletzt den unterschiedlichsten Schriftsystemen auseinander. Und auch, wenn er diese verschiedenen Themen strukturell getrennt behandelt, die Darstellung der oftmals erstaunlichen und „seltsamen“ Zusammenhänge bleibt der Autor seinen Lesern dennoch nicht schuldig.

Ein wirklich interessantes Buch, das sich lohnt (oder das es gar erfordert) mehrfach und konzentriert zu lesen.

Harald Haarmann: Die seltsamsten Sprachen der Welt. Von Klicklauten und hundert Arten ich zu sagen. C.H.Beck 2021. Hardcover, 206 Seiten.

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