Donnerstag, 5. April 2018

Unbekannte Mitbewohner

Das Who's Who unserer tierischen Nachbarn

Mit 28 tierischen Portraits versuchen Ruthild Kropp und Carina Heberer ihre Leser für nicht immer sonderlich charmant wirkendes Getier in unserer unmittelbaren Nähe zu begeistern. Nicht alle der vorgestellten Krabbler, Kriecher und Kraucher werden und dabei wesentlich sympathischer, interessant sind Spinne, Speckkäfer, Schabe & Co allemal.


Keine Frage, die im doppelten Sinne gemeine Stubenfliege ist uns als Nervensäge und Schmutzverursacher hinlänglich bekannt. Und längst weiß der aufgeklärte Bildungsbürger, dass die facettenäugigen Flugakrobaten unsere heranschnellende Hand in Zeitlupe sehen und sich damit üblicherweise unseren plumpen Mordversuchen entziehen können. Auch über Wespe, Stechmücke, Zecke, Milbe oder Kopflaus ist uns einiges bekannt, oft genug aus persönlicher Erfahrung. Trotzdem, die Informationen, mit denen die beiden Autorinnen aufwarten, rücken einiges unseres als gesichert geltenden Wissens gerade und überraschen den Leser mit spannenden Details zum Leben und Wirken unserer tierischen Zimmergenossen, Untermieter und Nachbarn.

Lebende Fossilien hinter der Tapete

Wohl dem, bei dem beispielsweise Silberfischchen Obdach suchen. Silberfischchen sind sogenannte Urinsekten, die bereits seit rund 300 Millionen Jahren die Erde bevölkern. Zugegeben, nicht jeder ist glücklich (nicht nur) in seinem Bad diese evolutionsgeschichtlich aufregenden Winzlinge zu beherbergen. Dabei lassen sie sich kaum in der Öffentlichkeit sehen, fressen Schimmelpilze und vertilgen Hausstaubmilben. Unerfreulich vielleicht, dass alle stärke- und glukosehaltigen Materialien zu ihrer Lieblingsspeise gehören. das macht sich unter Umständen nicht nur in der Speisekammer, sondern auch in feuchten Bibliotheken bemerkbar. Auch wenn das auf den ersten Blick keine echte Empfehlung für die lebenden Fossilien zu sein scheint, ihr gelegentlich massives Auftreten ist nicht Ursache, sondern Indiz für beispielsweise feuchte, schimmlige Wände.

Minikrebse im Keller

Feuchtigkeit brauchen auch die bekannten Kellerasseln, denn ihre Ahnen lebten noch im Wasser. Die Krebstiere sind nützliche Wesen, die sich unter anderem um die Kompostierung von faulendem Holz und Falllaub kümmern und dienen Fröschen, Vögeln, Spinnen oder Maulwürfen als nahrhafte Beute. Spannend am Asselgetier ist, dass es weltweit mit rund 3500 Arten vertreten ist. Das reicht von der Landassel, der Wasserassel über so skurrile Wesen wie die Fischassel oder die Wüstenassel bis hin zur Riesenassel. Letztere bewohnt die Tiefsee und kann bei bis zu 45 Zentimeter Länge rund 1,7 Kilogramm auf die Waage bringen. Beruhigend, dass unsere einheimischen Keller- und Mauerasseln mit ihren 18 Millimetern zu den kleinen Vertretern dieser Krebstiere gehören.

Infos von Biologie bis zur Kulturgeschichte

Zu unseren Nachbarn und Untermietern gehören natürlich auch in unseren Augen attraktivere Vertreter des Tierreiches. Vögel, Siebenschläfer, ja sogar Mäuse dürften auf der Beliebtheitsskala deutlich über Schaben, Wanzen und Spinnentieren stehen. Und auch hier liefern die Autorinnen interessante Einsichten in das Leben, die Fähigkeiten und Besonderheiten, die dem Leser bislang nicht unbedingt geläufig waren. Das liegt natürlich auch daran, dass die vorgestellten Wesen nicht nur biologisch sondern auch kulturgeschichtlich betrachtet werden. Dabei räumen Ruthild Kropp und Carina Heberer in ihrem Buch auch mit so manchem Vorurteil auf. So hat der Ohrwurm zwar durchaus einen Bezug zu Ohren, krabbelt aber mitnichten hinein, um das Trommelfell durchzubeißen, wie viele Menschen noch heute glauben. Ach ja, und ein Wurm ist das geflügelte Insekt mit den großen Kneifzangen am Hinterleib auch nicht. Die Verbindung zu den Ohren hat der Mensch hergestellt. So galt der pulverisierte Ohrwurm bereits im Mittelalter als Heilmittel gegen Ohreninfektion oder Taubheit.

Respekt vor der Natur

Die Autorinnen liefern zu jedem der 28 vorgestellten Tierarten eine Fülle an Informationen, die sowohl in locker geschriebenen Text als auch in spezielle Informationskästen untergebracht sind. Egal welche Beziehung der Leser zu den tierischen Nachbarn vor der Lektüre des Buches hatte, er wird diese im Einzelfall nicht unbedingt lieben, in jedem Fall aber ihre Natur respektieren und bewundern lernen.

Ruthild Kropp, Carina Heberer: Tierische Begegnungen. Das Who's Who unserer tierischen Nachbarn. Theiss 2018. Gebunden mit Schutzumschlag, 200 Seiten.

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