Dienstag, 3. April 2018

Das geheime Netzwerk der Natur

Wie Bäume Wolken machen und Regenwürmer Wildschweine steuern

Keine Frage, Peter Wohlleben arbeitet mit spektakulären Aussagen, um den Leser auf die Auseinandersetzung mit den komplexen und vielschichtigen Prozessen in der Natur neugierig zu machen. Aber so skurril Sätze wie „Kraniche sabotieren die spanische Schinkenproduktion“ auch klingen mögen, keine der vom prominenten Förster getroffenen Formulierungen lässt sich nur mit Effekthascherei abtun.


In seinem Buch „Das geheime Netzwerk der Natur“ versucht Wohlleben seinen Lesern unerwartete und nicht offensichtliche Zusammenhänge im ökologischen System nahezubringen. Und das gelingt ihm auch. Dabei berührt der Autor mit seinen Beispielen immer wieder die Themen, die aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen der Menschen heute besonders heiß diskutiert sind. Jagdpächter, Waldwirtschafter, Bauern, Schäfer, Natur- und Artenschützer haben jeweils unterschiedliche Sichtweisen zu „Problemen“ mit der Natur und tragen damit zu mancher Legendenbildung teil. Ohne wirklich anzuklagen, zeigt der Autor auf, dass es vor allem die „regulierenden“ Eingriffe des Menschen sind, die zu meist unvorhersehbaren ökologischen Folgen führen. Und diese Folgen sind in der Regel nicht das Problem der Natur, sondern das des Menschen.

Kleine Eingriffe, große Wirkung

Tatsächlich ergreift Wohlleben Partei für die Natur und den Respekt vor ökologischen Zusammenhängen, die sich - das begreift der Leser bald - als komplizierter erweisen, als das menschliche Hirn und selbst seine Supercomputer zu erfassen bzw. zu berechnen in der Lage sind. Denn nicht nur das Verhalten beziehungsweise die Eingriffe der Menschen führen zu Veränderungen im System, sondern auch zu unvorhersehbaren Verhaltensänderungen von Tieren, die wiederum Auswirkungen auf das Gesamtsystem haben und im Grunde eine beinahe unendliche Variationsbreite der möglichen Folgen nach sich ziehen. Notgedrungen sind die Beispiele, die Wohlleben für dieses Prinzip der kleinen Änderungen mit unüberschaubaren Folgen vorstellt, vergleichsweise einfach gestrickt. Wenn er aber aufzeigt, wie Regenwürmer die Wildschweinpopulation regulieren oder Wölfe den Bäumen helfen, dann beginnt der Leser zu begreifen, dass die einfachen Rezepte und Argumente der „regulierenden“ Jägerschaft bei „Wildproblemen“ wohl einer genaueren Überprüfung bedürfen.

Von spannenden Geschichten zu grundsätzlichen Fragen

Wohlleben und die Jägerschaft sind ohnehin keine Freunde aber auch mancher Artenschützer muss sich mit der Kritik und den Argumenten des Försters auseinandersetzen. Denn Wohlleben ist zwar ein Radikaler aber kein Traumtänzer. Und so steht er manchem Wiederansiedlungsprojekt aber auch dem Streben nach dem Herstellen von „ursprünglicher“ Natur skeptisch gegenüber.
Anschauliche Beispiele, lockerer Stil und plausible, gut begründete Argumentationen zwischen „Das Geheime Netzwerk der Natur“ aus. Das eigentlich Spannende und für mich besonders Wichtige an diesem Buch sind aber tatsächlich die Denkanstöße, mit denen sich sowohl interessierte Laien als auch Profis aus Wald- Jagd- Land- und Viehwirtschaft und nicht zuletzt auch Naturschützer und Wissenschaftler auseinandersetzten sollten. Die Frage nach der Regulierbarkeit (Beherrschbarkeit) der Natur reicht übrigens weit über Wald, Wiese und Feld hinaus.

Peter Wohlleben: Das geheime Netzwerk der Natur. Ludwig Verlag 2017. Gebunden mit Schutzumschlag, 223 Seiten.

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