Wie Bäume Wolken machen und
Regenwürmer Wildschweine steuern
Keine Frage, Peter Wohlleben arbeitet
mit spektakulären Aussagen, um den Leser auf die Auseinandersetzung
mit den komplexen und vielschichtigen Prozessen in der Natur
neugierig zu machen. Aber so skurril Sätze wie „Kraniche
sabotieren die spanische Schinkenproduktion“ auch klingen mögen,
keine der vom prominenten Förster getroffenen Formulierungen lässt
sich nur mit Effekthascherei abtun.
In seinem Buch „Das geheime Netzwerk
der Natur“ versucht Wohlleben seinen Lesern unerwartete und nicht
offensichtliche Zusammenhänge im ökologischen System nahezubringen.
Und das gelingt ihm auch. Dabei berührt der Autor mit seinen
Beispielen immer wieder die Themen, die aufgrund unterschiedlicher
Interessenlagen der Menschen heute besonders heiß diskutiert sind.
Jagdpächter, Waldwirtschafter, Bauern, Schäfer, Natur- und
Artenschützer haben jeweils unterschiedliche Sichtweisen zu
„Problemen“ mit der Natur und tragen damit zu mancher
Legendenbildung teil. Ohne wirklich anzuklagen, zeigt der Autor auf,
dass es vor allem die „regulierenden“ Eingriffe des Menschen
sind, die zu meist unvorhersehbaren ökologischen Folgen führen. Und
diese Folgen sind in der Regel nicht das Problem der Natur, sondern
das des Menschen.
Kleine Eingriffe, große Wirkung
Tatsächlich ergreift Wohlleben Partei
für die Natur und den Respekt vor ökologischen Zusammenhängen, die
sich - das begreift der Leser bald - als komplizierter erweisen, als
das menschliche Hirn und selbst seine Supercomputer zu erfassen bzw.
zu berechnen in der Lage sind. Denn nicht nur das Verhalten
beziehungsweise die Eingriffe der Menschen führen zu Veränderungen
im System, sondern auch zu unvorhersehbaren Verhaltensänderungen von
Tieren, die wiederum Auswirkungen auf das Gesamtsystem haben und im
Grunde eine beinahe unendliche Variationsbreite der möglichen Folgen
nach sich ziehen. Notgedrungen sind die Beispiele, die Wohlleben für
dieses Prinzip der kleinen Änderungen mit unüberschaubaren Folgen
vorstellt, vergleichsweise einfach gestrickt. Wenn er aber aufzeigt,
wie Regenwürmer die Wildschweinpopulation regulieren oder Wölfe den
Bäumen helfen, dann beginnt der Leser zu begreifen, dass die
einfachen Rezepte und Argumente der „regulierenden“ Jägerschaft
bei „Wildproblemen“ wohl einer genaueren Überprüfung bedürfen.
Von spannenden Geschichten zu
grundsätzlichen Fragen
Wohlleben und die Jägerschaft sind
ohnehin keine Freunde aber auch mancher Artenschützer muss sich mit
der Kritik und den Argumenten des Försters auseinandersetzen. Denn
Wohlleben ist zwar ein Radikaler aber kein Traumtänzer. Und so steht
er manchem Wiederansiedlungsprojekt aber auch dem Streben nach dem
Herstellen von „ursprünglicher“ Natur skeptisch gegenüber.
Anschauliche Beispiele, lockerer Stil
und plausible, gut begründete Argumentationen zwischen „Das
Geheime Netzwerk der Natur“ aus. Das eigentlich Spannende und für
mich besonders Wichtige an diesem Buch sind aber tatsächlich die
Denkanstöße, mit denen sich sowohl interessierte Laien als auch
Profis aus Wald- Jagd- Land- und Viehwirtschaft und nicht zuletzt
auch Naturschützer und Wissenschaftler auseinandersetzten sollten.
Die Frage nach der Regulierbarkeit (Beherrschbarkeit) der Natur
reicht übrigens weit über Wald, Wiese und Feld hinaus.
Peter Wohlleben: Das geheime
Netzwerk der Natur. Ludwig Verlag 2017. Gebunden mit
Schutzumschlag, 223 Seiten.
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