ein Buch aus der Reihe “A History of The Royal Navy”
Die Geschichte der britischen Marine ist mit der vom National Museum of the Royal Navy unterstützten Serie beileibe nicht das erste Mal beschrieben worden. Und auch die maritime Seite der napoleonischen Kriege wurde vielfach publizistisch beleuchtet. Was also macht das Buch „The Napoleonic Wars“ aus der History of the Royal Navy Serie trotzdem lesenswert?Sechs große Seeschlachten, rund ein Dutzend Geschwader- und zahllose Einzelaktionen, Schutz von Konvois Tausender britischer Handelsschiffe, Blockadedienste und nicht zuletzt 68 größere amphibische Kampagnen, das ist die Navy-Bilanz der 22 Jahre des „großen Kriegs mit Frankreich“. Die Verluste auf britischer Seite sind in gewisser Hinsicht ebenso beeindruckend. Während nämlich „nur“ 6.500 britische Seeleute ihr Leben in Kampfeinsätzen verloren, beliefen sich die Verluste durch Schiffbruch und Feuer auf etwa 13.000 Mann und Krankheit, Seuchen und Unfälle an Bord forderten neben natürlichem Tod zwischen 70.000 und 80.000 Opfer. Im Ergebnis gab es 1815 faktisch keinen maritimen Gegner mehr für die Royal Navy. Die verfügte nun bei 884 Einheiten mit insgesamt 603.300 Tonnen über mehr Kriegsschiffstonnage als der Rest der Welt zusammen. Und während die Briten zwischen 1793 und 1815 gerade 166 Kriegsschiffe im Rahmen von Kampfhandlungen verloren (101 Schiffe gingen aufgrund von Unfällen verlustig), kaperten oder zerstörten sie insgesamt 1.201 feindliche Kriegsschiffe, darunter 712 französische, 196 spanische und 172 holländische. Aber die absolute weltweite maritime Überlegenheit war nicht das Ziel, sondern lediglich das Mittel für eine weit über das Militärische hinausgehende Strategie, wie der Autor Martin Robson in seinem Buch „The Napoleonic Wars“ darstellt.
Seemacht im Dienste des Handels
Entsprechend der Zielsetzung des einflussreichen Politikers und ab 1804 ersten Lords der Admiralität, Henry Dundas, diente die maritime Überlegenheit sowohl in den heimischen als auch in den baltischen, und überseeischen Gewässern und im Mittelmeer dem ungehinderten britischen Welthandel. Denn nicht nur die militärische, auch die kommerzielle Macht der britischen Rivalen war mit der Überlegenheit zur See gebrochen. Bezifferte sich der Wert der offiziellen britischen Importe im Jahr 1793 noch auf gut 19 Millionen £ und der der Exporte auf rund 20 Millionen £, so hatten sich diese Zahlen 1814 etwa vervierfacht. Ebenso wie die Navy konnte die britische Handelsflotte mehr Schiffe für sich registrieren, als alle Handelsflotten der Welt zusammen. 1915 bildeten die rund 22.000 englischen Handelsschiffe ein Transportvolumen von nahezu 2 Millionen Tonnen. Die Überlegenheit der Royal Navy als weltweite Handelsschutzmacht zeigt sich auch in der Tatsache, dass sich die Verluste der Handelsmarine durch feindliche Schiffe während des Krieges auf gerade einmal zwei Prozent beliefen.
Royal Navy: Eine maritime und amphibische Hochleistungsmaschinerie
Martin Robson schildert in seinem Buch detailliert, wie es zu diesem Ergebnis kommen konnte. Dabei werden nicht nur die einzelnen Marineaktivitäten dargestellt und analysiert. Robson vermittelt auch einen Eindruck davon, wie sehr viele der verantwortlichen Offiziere die Strategie und Zielsetzung verinnerlicht hatten. Herausragende Persönlichkeiten wie beispielsweise Nelson zeichneten sich dabei eben nicht nur durch die so oft herausgestellte Entschlossenheit und das Draufgängertum bei der Bekämpfung feindlicher Einheiten oder Flotten. Auch der Verzicht auf eine sich anbietende Auseinandersetzung mit feindlichen Verbänden zugunsten übergeordneter strategischer Interessen, war an der Tagesordnung. Etwa wenn die Möglichkeit der sicheren Vernichtung eines gegnerischen Verbandes zu Lücken in der Blockade französischer Häfen geführt hätte. Von möglichen eigenen Verlusten und damit der Schwächung der Überlegenheit in den heimischen Gewässern, ganz zu schweigen. Martin Robson zeigt in seinem Buch, dass es nicht nur die kämpferischen Qualitäten, sondern auch die außergewöhnlichen logistischen Leistungen waren, die die Royal Navy gegenüber ihren Gegnern überlegen sein ließ. Ungeachtet der Tatsache, dass die 1793 mit einer eindrucksvollen amphibischen Landungsaktion beginnende britische Kampagne in Flandern scheiterte, war die Rolle der Navy sowohl hinsichtlich Seeunterstützung, Truppenversorgung und Pionierleistungen enorm. Und spätestens die sichere Evakuierung der geschlagenen britischen Truppen vom Kontinent – immerhin 40.000 Infanteristen und 6.000 Mann Kavallerie – dokumentierten die amphibischen und organisatorischen Qualitäten der Navy und ihrer Stäbe.
Empfehlenswert
Robson gelingt es, die einzelnen Ereignisse, Entscheidungen und Entwicklungen aus den größeren Zusammenhängen, Notwendigkeiten und Strategien heraus zu erklären. Dem Leser wird damit eine Perspektive vermittelt, die weit über die Marinehistorische hinausgeht. Abgesehen davon, dass die historischen Eckdaten, Seeschlachten und Kampagnen samt Verläufen dem Marineinteressierten weitgehend bekannt sein dürften, liefert Robson doch immer wieder interessante Informationen, die dem Leser vielleicht nicht ganz so geläufig sind.
Martin Robson: A History of The Royal Navy. The Napoleonic Wars. I.B. Tauris 2014, Gebunden mit Schutzumschlag, 273 Seiten
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