Journalistin, Autorin, Libelle . . .
Ich kenne nur wenige KollegInnen, die trotz thematischer Vielseitigkeit in jedem ihrer Artikel neben der unterhaltsamen Schreibe auch noch inhaltliche Kompetenz und solide Sachinformationen vermitteln. Dazu gehört mehr, als nur Schreiben können, mehr als nur Handwerk. Dazu gehört Interesse, Neugier und Spaß am Wissen. Claudia Lampert ist so eine, die ganz offensichtlich von Wissen nicht genug bekommen kann. Und dann ist da noch ihr offensichtlich mentalsystemimmanenter Humor, der sich gerne auch in satirischen Betrachtungen ergeht. Und Bücher gibt es von ihr, und Fotos und Blogs und einen professionell selbstgestalteten online-shop, in dem sie die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentiert und in dem zu stöbern ebensoviel Spaß macht, wie die Lektüre ihrer Artikel oder der Vita auf ihrer Homepage. Keine Frage, Claudia Lampert hätte bei jeder kreativen Vielseitigkeitsprüfung die Chance auf einen der ersten Plätze. Und so gehört die Kollegin zum Kreis der bemerkenswerten Persönlichkeiten, die ich mir vorgenommen habe, hier im Kulturstrom vorzustellen. Wie könnte es anders sein, im Rahmen eines exklusiven Interviews natürlich.
Kulturstrom: Ihrer Homepage habe ich
entnommen, dass Sie ursprünglich so etwas obskures wie Reliquienhändler oder
Schmuckeremit werden wollten. Wegen gewisser Unannehmlichkeiten, die damit
verbunden sind, haben Sie diese Berufswünsche zugunsten der Tätigkeit als freie
Journalistin und Autorin aufgegeben. Nun schreiben Sie über Hühnerrassen und
Hochzeitsbräuche, die artgerechte Haltung von Gartenzwergen und die
kommunikative Signalwirkung von Fußmatten. Und es sieht nicht so aus, als
handele sich das um die Wahl des kleineren Übels. Denn Sie haben offensichtlich
ein ganz besonderes Verhältnis zur Sprache und Schrift. Haben Sie diesbezüglich
schon einmal Ursachenforschung betrieben?
C. Lampert: Das ist eine schwierige Frage,
über die ich jetzt ein paar Tage lang nachgedacht habe. Dabei ist es eigentlich
ganz einfach: Das wichtigste in meinem Leben sind stabile, tragfähige
Beziehungen, in denen Platz für Austausch und gegenseitiges Vertrauen und
Verstehen ist.
Was das mit Sprache und Schrift zu tun hat? Sprache ist
für mich nicht nur ein Werkzeug, um Informationen zu übermitteln. Worte
transportieren Emotionen. Worte
verletzen und berühren. Mit Worten zeige ich mich – wenn ich mutig und stark
bin. Hinter Worten verstecke ich mich – wenn ich feige und müde bin. Mit Worten
trete ich mit Menschen in Kontakt – und mit Worten ziehe ich Grenzen und sperre
andere aus. Worte sind mir Heimat, wenn ich mich in ihnen finde und mich mit
ihnen mitteilen kann, klar und unmissverständlich. Sie sind mir Gefängnis, wenn
es nur noch Worte gibt, um Menschen zu berühren, und wenn diese Worte ungehört
und unverstanden bleiben.
Sprache ist zweischneidiges Schwert, das uns von anderen
abtrennt und uns mit ihnen verbindet. Für mich ist der Umgang mit Sprache immer
auch der Umgang mit Menschen. Sprache ist mein Medium, mit dem ich die
Isolation durchbrechen und in Beziehung zu Menschen treten kann. Übers Schreiben sogar mit Menschen, die ich
nie gesehen habe.
Kulturstrom: Den Spaß
am Skurrilen, am Spott und am möglichst ungewöhnlichen Blickwinkel merkt man
Ihnen auch bei den diversen Facebook-Kommentaren an. Und – wie könnte es anders
sein - haben Sie mit „Der Dorfpranger. Offizielles Organ für Hohn & Spott aus Zwiebelfalz und Hudelbux“ auch noch einen Satireblog. Vergleicht man den mit Ihrem Blog libellius.de, der ja durchaus einen „Brot- und Butter“-Hintergrund erkennen
lässt, scheinen Sie „Dorfpranger“ just for fun zu betreiben. Wo nehmen Sie die
Zeit dafür her, oder brauchen Sie das zum Leben?
C. Lampert: Das Skurrile hat es mir in der Tat angetan,
und ich glaube, ich brauche es wirklich zum Leben. Es macht den Alltag zum
Abenteuer und das Abenteuer zu etwas, über das man auch dann noch lachen kann,
wenn es eigentlich keinen triftigen Grund mehr dafür gibt.
Den Dorfpranger
behandle ich im Moment ehrlich gesagt ziemlich stiefmütterlich. (Zum
Glück wird er hin und wieder von seinem geistigen Vater gefüttert …) Ich hoffe,
dass ich bald wieder mehr Zeit für Hudelbux und Zwiebelfalz finde. Es ist eine
kleine, eigene Welt für sich, in der viel Lebensfreude und Detailliebe stecken.
Einige der Knetgummifiguren, insbesondere unser Literaturschaf Elke
Heidschnuck, liegen mir doch sehr am Herzen, nicht obwohl, sondern weil sie so
widerspenstige Charaktere sind.
Kulturstrom: Ich
möchte dieses Interview nicht führen, ohne einen gewissen Gecko zu erwähnen,
der sich derzeit gerade überall durch das Netz schlängelt. Für diese
Reptilieninvasion sind eindeutig Sie verantwortlich. Haben Sie etwas zu Ihrer
Verteidigung zu sagen?
C. Lampert: Es gibt einen Satz, den ich
schon immer mal zu meiner Verteidigung vorbringen wollte: „Es ist nicht so, wie
es aussieht!“ Ich fürchte aber, er passt jetzt hier nicht so recht. Daher verzichte ich auf eine
Verteidigung und stelle stattdessen eine Behauptung auf: „Jeder sollte einen Gecko haben!“ Mindestens
einen. Konkret empfehle ich die
Anschaffung eines etwa 1,5 cm großen (oder kleinen), rein-weißen Bucher-Geckos.
Diese besondere Gattung kommt nur auf Buchrücken von Büchern des Bucher-Verlags
vor. Zum Beispiel auf meinem. Ich habe nämlich eins geschrieben. 2007 kam das
raus. In 1500facher Ausführung.
Kulturstrom: Als Neuerscheinung kann man „Der Mondgartentraum“ also nicht gerade bezeichnen. Was macht das Buch für
unsere LeserInnen denn heute so aktuell?
C. Lampert: Also bitte! Die große Liebe ist unsterblich
und immer topaktuell! Überzeugt nicht? Na gut. Die Wahrheit ist: Nach sieben
Jahren durchaus wohlwollender Rückmeldungen aber eher schleppender Verkäufe hat
der Verlag mit dem Gecko beschlossen, das Buch zu verramschen. Ich habe
beschlossen, dass das deren volles Recht ist und mit mir hoffentlich nichts zu
tun hat. Mein Freund hat beschlossen, dass wir den Restbestand übernehmen und
selbst verkaufen. Mit „wir“ meinte er „du“, also mich. (Er neigt zu verbalen
Unschärfen.) Und jetzt habe ich 300 gleiche Bücher im Keller und nur einen
einzigen Erben, der obendrein das Lesen verabscheut. Da kündigt sich also eine
Traumatisierung epochalen Ausmaßes an, wenn die Bücher nicht verkauft werden.
Das kann ich nicht verantworten. Und weil keiner eine Liebesgeschichte kaufen
möchte, verkaufe ich neuerdings eben Geckos. Das ist einfacher.
Kulturstrom: Liebesgeschichte, das klingt ja zumindest in meinen Ohren
nicht gerade nach must have. In dieser Hinsicht muss ich mich wohl in
die Schublade typisch Mann stecken lassen. Aber manchmal bin ich geradezu
verwegen und so habe ich mir zur Vorbereitung unseres Gesprächs die Leseprobe
reingezogen. Wunderbar geschrieben, spannend in Aufbau und Handlung und
eigentlich ein eigenes Gespräch wert, das wahrscheinlich viel mit Ihrer Antwort
auf meine erste Frage zu tun hätte. Also lieber zurück zum Gecko, denke ich. Was,
außer dem Inhalt spricht noch für den Kauf des Buches?
C. Lampert: Soso. Sie haben reingelesen.
Ich hoffe, das war reine Recherchearbeit ohne weitere Folgen. Nicht, dass Sie
womöglich noch mit Ihren Prinzipien brechen!
Das wäre schwer zu verantworten. Also lieber zurück zum Gecko. Diese
Geckos sind wirklich sehr dekorativ,
pflegeleicht und obendrein sozial – man kann sie hervorragend mit weiteren
Exemplaren, mit Bücherwürmern oder Leseratten halten. Man kann sie auch ohne
schlechtes Gewissen verschenken, was bei anderen Haustieren moralisch nicht so
ohne weiteres vertretbar ist. Das Buch, mit dem der Gecko geliefert wird,
ist ein sehr hübsches, schlankes Buch in
heiter-gelöstem Sonnengelb. Es macht sich ganz hervorragend neben nachtblauen
Büchern (für Freunde des Komplementärkontrasts) oder zwischen Langenscheidts
Wörterbüchern (für alle, die es lieber Ton in Ton mögen). Außerdem ist es eine
kleine, solide Kapitalanlage fürs Leben:
Offset-Druck, Hardcover, Fadenbindung, Schutzumschlag – alles gute, solide
österreichisch-schweizerische Qualitätsarbeit. Das hält ewig! (Länger als
manche unsterbliche Liebe …) Besonders Männern und notorischen
Liebesroman-Verweigerern lege ich es nachdrücklich ans Herz. Immerhin
verschafft es dieser Personengruppe bei Besuchen der Fußballfreunde, die das
Buch im Regal entdecken, die seltene Gelegenheit, einen Satz zu sagen, den man
sonst nur von Till Schweiger hört, und der einfach die beste aller
Pauschalausreden ist: „Es ist nicht so, wie es aussieht!“
Kulturstrom: So ganz
alleine sind Sie ja wohl nicht. Denn dieses libellius.de firmiert ja unter „Wir“. Ein paar Worte über das Verhältnis
der blogbetreibenden Fluginsekten mit dem Zick-Zack-Kurs würden dem
investigativen Ruf meiner Interviews recht gut tun.
C. Lampert: Stimmt, ich bin zum Glück nicht alleine.
Sowohl bei Libellius als auch beim Dorfpranger und in allen anderen
Lebensbereichen habe ich die Unterstützung meines Freundes und Partners Micha.
Er wollte eigentlich Filmemacher werden, ist dann aber mangels Taktgefühl bei
der Gesangsprüfung durchgefallen. Das hat ihn so aus dem Takt gebracht, dass er
Informatik studiert und sich vor neun Jahren mit einer Österreicherin
eingelassen hat, die zwar (ganz objektiv betrachtet!) nicht taktlos, dafür aber
sehr unmusikalisch ist. (Mozart hin oder her. Und bevor jemand fragt: Ich kann
auch nicht Schi fahren.) Trotz dieser diversen taktilen Unklarheiten ist unsere
Beziehung intakt.
Kulturstrom: Auch wenn es immer wieder Vergnügen bereitet, mit
Vorurteilen zu spielen, sei es in Bezug auf Männer, Österreicher oder sonstige
Minderheiten, Seriosität steht für Kulturstrom natürlich an oberster Stelle.
Und so möchte ich zum Schluss doch taktvoll auf den Rest des
Lampert-Libellius-Clans überleiten . . . . .
C. Lampert:
Es ist wirklich sehr taktvoll, auf Spott jedweder Art (und sei er noch
so unterschwellig) zu verzichten! Sehr taktrein läuft übrigens auch das Pony,
das ich als tragenden Teil des Libellius-Teams empfinde. Auf ihr reite ich
immer rum, wenn irgendwas gar nicht funktionieren will. Dabei kommen mir die
besten Ideen, oder sagen wir mal: Mir kommen Ideen. Falls doch nicht, bin ich
wenigstens weit weg vom Rechner und kann nichts kaputt machen. Und dann gibt es
da noch meinen 17-jährigen Sohn,
besagten wenig leseaffinen zukünftigen Erben, der mit Libellius lieber nichts
zu tun hat, denn das ist ja auch „was mit Lesen“. Schlimmer noch: „Was mit
Schreiben“. Er unterstützt das Projekt lieber tatkräftig, indem er im Keller
sitzt und mit pädagogisch vermutlich wenig wertvollen Spielen regelmäßig die
Leistungsfähigkeit unseres Servers und die Stabilität unserer
Internetverbindung überprüft.
Kulturstrom: Frau
Lampert, ich danke für das Gespräch.
Alle Bilder ©Claudia
Lampert/Libellius.de
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