Sonntag, 14. Februar 2016

Der Vampirglaube in Südosteuropa – eine Studie zum Volksglauben

030Bereits die Einleitung des Buches aus Band 9 der Berliner Schriften zur romanischen Kultur- und Literaturgeschichte mit dem Titel „Der Vampirglaube in Südosteuropa“ verspricht Neues zum Original der heute so beliebten Romanhelden, vor allem in der Jugendliteratur. Denn der Historiker und Balkanologe Peter Mario Kreuter stellt klar, dass der größte Teil der westlichen Literatur zum Thema sich im Wiederkäuen der gleichen Sekundärliteratur aus England, Frankreich, Deutschland und des USA erschöpfe. Das Material hingegen, das Ethnologen und Ethnographen in der Ursprungsregion des als Vampir bezeichneten Wiedergängers zusammengetragen haben, werde, so der Autor, „mit großer Souveränität ignoriert“.

Tatsächlich aber ist das Problem bei der sehr umfassenden Sachliteratur zum Thema Vampir noch viel komplexer. Nur ganz selten findet sich hier eine klare, auf der Analyse der südosteuropäischen Volksüberlieferungen basierende Definition des Vampirs. Stattdessen werden oft die unterschiedlichen Arten von Wiedergängern aus aller Welt in einen Topf geworfen. Oft genug werden auch noch Elemente anderer Wesen und der umfassenden mittel- und westeuropäischen literarischen Rezeption der Vorstellung vom Vampir beigemischt. Dass schließlich die Erklärungen für das Phänomen des Vampirs je nach Fachdisziplin oft genug jeglicher Grundlage entbehren, zeigt das Kapitel, das sich mit eben jenen, meist monokausalen Argumentationen beispielsweise von Medizinern oder Psychologen auseinandersetzt.

Monster ohne „Vampirzähne“ und Lichtempfindlichkeit

Kreuter, dessen Fußnotenapparat eine detaillierte Analyse auch der gedruckten und ungedruckten Primärquellen belegt, räumt sehr plausibel und nachvollziehbar mit den gängigen Fehlurteilen zum Vampir auf. Im Gegensatz zu den literarischen Vampiren verfügen die als Vampir bezeichneten südosteuropäischen Wiedergänger weder über die berüchtigten Eckzähne, noch über ein Verlangen nach Blut. Selbst die vermeintliche Lichtempfindlichkeit lässt sich im Volksglauben nicht nachweisen.
Viel Platz räumt Kreuter den kulturgeschichtlichen Hintergründen und Rahmenbedingungen des Volksglaubens dieser Region ein. Dazu gehören neben dem Ausflug in den Einbruch des Islam und die Entstehung des osmanischen Reiches auch die kulturelle Vielfalt der südosteuropäischen Völkerschaften, die Auseinandersetzung mit der christlichen Religion oder der vorchristlichen religiösen Situation.

Interdisziplinäre Vampirforschung

Die Arbeit des Historikers und Balkanologen ist also alles andere als eindimensional. Die Arbeiten von Religionswissenschaftlern, Orientalisten, Linguisten, Medizinern, Theologen und Anthropologen finden hier ihren Niederschlag. Die Komplexität dieser Herangehensweise auf der einen und der Versuch, das spezifische Phänomen des Vampirs gegenüber verwandten Monstern und Dämonen des Volksglaubens herauszuarbeiten, bringt es mit sich, dass das Ergebnis am Ende völlig zu Unrecht als ein wenig dürftig empfunden werden könnte. Kreuter ist jedoch an das gut verständliche und dennoch wissenschaftliche Werk nicht mit dem Anspruch der Vollständigkeit oder Abgeschlossenheit herangegangen. Vielmehr dient es hervorragend als Grundlage weiterer Forschung zu diesem Thema unter der kulturgeschichtlich wichtigen Vorgabe einer handhabbaren und ausbaufähigen Definition.

Vampir, Religion und Volksglaube

Aber auch die Interpretation der Bedeutung des Phänomens Vampir für die Gesellschaften Südosteuropas, liefern sehr interessante Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen auch zu vergleichbaren Phänomenen in anderen Regionen. Da ist Aberglaube plötzlich keine Erscheinung mehr, die lediglich in Unwissenheit und Angst begründet ist, sondern er wird zu einer geradezu zwingenden Ergänzung monotheistischer Religionen, die wesentliche spirituelle Bedürfnisse des menschlichen Lebens nicht religiös oder rituell abdecken.
Die Lektüre dieses Buches wird das Bedürfnis nach mystischen Vorlagen für weitere Romanfiguren ganz sicher nicht befriedigen. Für die weitergehende ernsthafte kulturgeschichtliche Auseinandersetzung mit diesem Phänomen hat der Autor jedoch so etwas wie Pionierarbeit geleistet. Die gerade einmal zweiseitige Zusammenfassung der Ergebnisse am Ende des Buches, hat es diesbezüglich bei genauerer Betrachtung in sich.

Peter Mario Kreuter: Der Vampirglaube in Südosteuropa. Studien zur Bedeutung und Funktion. Berliner Schriften zur romanischen Kultur – und Literaturgeschichte, Band 9. Weidler Buchverlag 2001. Taschenbuch mit Schutzumschlag, 218 Seiten.

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