illustriert von Gustave Doré
1697 erschienen die Märchen von Charles Perrault erstmalig, darunter die uns von den Brüdern Grimm bekannten Rotkäppchen, Aschenputtel oder der Gestiefelte Kater. Das vorliegende Buch orientiert sich an der von Gustave Doré illustrierten, 1861 erschienenen Ausgabe der Contes von Perrault, das insgesamt 9 Märchen umfasst. Der kleine Däumling, Riquet mit dem Schopf, Eselshaut, Die Fee oder Blaubart dürften dabei die hierzulande unbekannteren Märchen sein. Nicht nur die märchenhaften Texte, sondern auch die eigen- einzigartigen Illustrationen machen den besonderen Reiz dieser wbg-edition aus.Eine gelungene Verbindung von Text und Bild
Natürlich sind Märchen nicht einfach nur erdachte Geschichten zur Unterhaltung oder zur pädagogischen Beeinflussung der Kinder. Das war auch bei den ursprünglichen aber in genau diesem Sinne überarbeiteten Märchenniederschriften der Grimms nicht der Fall. Mit den Contes von Perrault und den Ausführungen des Philologen und Historikers Marc Fumaroli kann sich die LeserIn den ursprünglichen Intentionen und Stilmitteln des Märchenerfinders nähern. Und Jean-Marc Chatelain führt recht ausführlich in die Besonderheiten der Doréschen Illustrationen ein. Für Historiker und Märchenforscher zweifellos ein Gewinn, für Menschen, die sich vor allem an Märchen selbst erfreuen, gelegentlich etwas ausschweifend.
Eine ungewohnte Lesart
Bei der Lektüre fallen sehr schnell die Unterschiede zur grimmschen Märchenwelt auf. So verfügen die auf den ersten Blick sehr einfach daherkommenden Geschichten über viel Esprit und Humor. So manche Passage liest sich wie Satire auf (damals) herrschende Verhältnisse und das Augenzwinkern wird nicht nur in den Illustrationen Dorés sondern auch zwischen den Zeilen sichtbar. Perraults Märchen lesen sich schlichtweg ganz anders als die gleichen aus grimmscher Feder und allein das macht bereits Spaß.
Geheimnisvolle Perspektiven, Licht und Schatten
Natürlich sind auch die Bilder ein Augenschmaus. Bei genauerer Betrachtung – die durch großformatige Abbildungen und Ausschnitte leicht gemacht wird – drängt sich wenigstens ein nachträglicher Blick in die Ausführungen Jean-Marc Chatelaines geradezu auf. Außergewöhnliche Perspektiven, teilweise karikierte Persönlichkeiten und ein großer Detailreichtum zeichnen die aufwändig reproduzierten Stiche aus. Gelegentlich allerdings haben die Buchgestalter bei der Ausschnittvergrößerung ein wenig übertrieben, zumindest mir erschließt sich nicht in jedem Fall die besondere Aussagekraft der Vergrößerungen.
Alles in allem sind die großformatigen Contes de Perrault der wbg-edition eine gelungene Publikation, bringen sie doch so manches in Vergessenheit geratene Märchen wie Blaubart oder Die Fee in Erinnerung und zeigen zudem, dass es auch andere, mithin lebendigere Erzähltraditionen als die der Brüder Grimm gibt.
Charles Perrault: Die schönsten Märchen. Illustriert von Gustave Doré. Wbg-edition 2020. Gebunden, 168Seiten
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