Montag, 28. September 2020

Neofelis-Verlag – ein Portrait

Ⓒ Neofelis-Verlag
Auf den Neofelis-Verlag bin ich eher zufällig im Rahmen der Vorrecherchen zu meinem nächsten Buch zum anthropogenen Artensterben gestoßen. Der gibt nämlich unter anderem die Tierstudien heraus, eine zweimal jährlich erscheinende Zeitschrift, die sich unter verschiedenen Aspekten und Themenstellungen mit dem hierzulande recht neuen Forschungsgebiet der Human-Animal-Studies befasst. Zunächst war es allerdings der Verlagsname, der mich neugierig gemacht hatte, schließlich gehören die Nebelparder (Neofelis nebulosa) zu den faszinierendsten Katzenarten, mit denen ich mich literarisch beschäftigt habe. Die Lektüre der Ausgabe 17 der Tierstudien (siehe meine Buchvorstellung auf Katzenkultur), die sich mit dem Thema Tiere und Emotionen befasst, ließ mich schließlich einen genaueren Blick auf den Verlag und sein Programm werfen, der sich wohltuend von vielen anderen Wissenschaftsverlagen unterscheidet.

Anspruchsvoll und lesbar

Das beginnt bereits bei Sprache und Stil. Vor allem kunstwissenschaftliche Aufsätze treiben die LeserIn mit ihrer wissenschaftlichen Imponiersprache (mit oft sehr bescheidener Aussagekraft) gern zur Verzweiflung. Die Beiträge in den Tierstudien und auch in den anderen Publikationen, deren Leseproben ich mir anschauen konnte, haben jedoch ganz offensichtlich ein für wissenschaftliche Verlage oft unübliches Lektorat genießen dürfen. Das Ergebnis: Die Texte bleiben zwar durchaus anspruchsvoll, sind aber gut lesbar. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Verlagsleiter Matthias Naumann als Autor, Übersetzer und studierter (und aktiver) Theater-, Film- und Medienwissenschaftler (Frankfurt am Main, Tel Aviv und Paris) wohl nicht nur den Wissenschaftsbetrieb, sondern auch das Publikum und die Welt jenseits des jeweils fachlichen Tellerandes im Blick hat.

Breites Spektrum mit klarer Linie

Das thematische Spektrum des Verlages scheint auf den ersten Blick unglaublich breit, folgt aber einer klaren Linie*. Es reicht von den Animal Studies, über Architektur, Film & Medien, Geschichte, Jüdische Studien & Israelstudien, Kultur- & Sozialwissenschaften, Kunst & Fotografie, Literaturwissenschaft, Philosophie bis hin zu Politik & Debatte und Theater & Performance. Insgesamt handelt es sich um ein interessantes Konglomerat aus Reihen, Zeitschriften und Einzeltiteln unter denen jeder kultur- gesellschafts- und geisteswissenschaftlich Interessierte etwas Interessantes für sich finden dürfte. Auch die English Books möchte ich nicht unerwähnt lassen. Auch wenn es verhältnismäßig wenige sind, vielversprechend sind die Titel allemal. Als Beispiele seien hier nur African Thoughts on Colonial and Neo-Colonial Worlds. Facets of an Intellectual History of Africa oder Beyond the Line. Cultural Narratives of the Southern Oceans genannt

Ein junger Verlag mit eindrucksvoller Vergangenheit

Im März nächsten Jahres feiert der unabhängige Verlag mit dem katzenaffinen Team sein zehnjähriges Bestehen. Keine wirklich lange Zeit und doch kann er auf eine beachtliche Vergangenheit zurückblicken. Zunächst einmal zeigt das Programm, dass es der Crew wohl gelungen ist, ihrem Anspruch gerecht zu werden, den ich mir erlaube aus der Selbstdarstellung des Verlages zu zitieren: *„Wir verlegen geistes-, kultur- und gesellschaftswissenschaftliche Bücher sowie Veröffentlichungen, die an der Schnittstelle von Wissenschaft und u.a. Kunst und Literatur operieren. […] Unser besonderes Interesse gilt den interdisziplinär arbeitenden Kulturwissenschaften, die sich einerseits in neueren Ansätzen immer weiter ausdifferenzieren, andererseits aber gerade dadurch Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen in gemeinsamen Forschungsfeldern zusammenführen.“ Seit November 2018 ist der Neofelis Verlag übrigens Teil des Freundeskreises der Kurt Wolff Stiftung zur Förderung einer vielfältigen Verlags- und Literaturszene.

Veröffentlichungen für Fachleute und Publikum

Rund 35 Bücher erscheinen derzeit bei Neofelis pro Jahr, etwa 400 AutorInnen publizieren hier in Monographien oder Sammelbänden in Reihen wie Jüdische Kulturgeschichte in der Moderne, Drama Panorama. Neue internationale Theatertexte oder Relationen. Essays zur Gegenwart oder auch in den Zeitschriften Tierstudien, Expressionismus und Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart. Der Neofelis-Verlag ist zweifellos ein Verlag für das Fachpublikum. Trotzdem wird hier auch der interessierte und aufgeschlossene Leser seine Lektüre finden. Es lohnt sich tatsächlich im Programm zu stöbern, zumal auch die älteren Titel und Themen ihre Aktualität behalten haben.

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