Von fürsorglichen Schaben, tauchenden
Libellen und boxenden Krebsen
Frank Nischks Forscherkarriere begann
mit einem Flop. Das Kolibri-Forschungsprojekt in Kolumbien, an dem
der damalige Bio-Student als Praktikant teilnahm, scheiterte an den
Streitereien zwischen den kolumbianischen und deutschen
Wissenschaftlern. Nischk brauchte dringend ein neues Thema für seine
Diplomarbeit. Und das ergab sich, als ihm der Kölner Zoologe Dambach
eine Stele als bezahlte Hilfskraft und ein Diplomarbeitsthema anbot:
Das Aggregationsverhalten der Blattella germanica, der Deutschen
Schabe.
Auf die Schabe gekommen
Zunächst war auch die Schabenforschung
nicht unbedingt Nischks Traumthema, obwohl er bereits seit seiner
Kindheit eher die weniger kuschelige Seite der Tierwelt bevorzugte.
Und so verwundert es nicht, dass die scheuen Krabbeltiere schnell
eine gewisse Faszination auf den heutigen Biologen und Journalisten
ausübten. Diese Faszination überträgt er im ersten Teil des Buches
auf seine Leser. Dabei vermittelt er nicht nur spannende
Informationen über Biologie und Verhalten er weitgehend ungeliebten
Haus- und Küchengäste. Er bietet auch interessante Einblicke in die
Kulturgeschichte der Schaben. Zudem reichert er die Informationen
über die Schabentiere mit Anekdoten aus seinem Forschungsleben an,
die durchaus mehr als nur unterhaltsam sind.
Das Konzert der Grillen und Zikaden
Überhaupt verbindet der Autor seinen
beruflichen Werdegang geschickt mit den Informationen zu Tierarten,
mit denen sich der Leser von alleine wohl kaum anfreunden würde. So
führt Nischk im zweiten Teil des Buches in die Tiefen des
ecuadorianischen Regenwaldes und in die Welt der allgegenwärtigen
Grillen, Ameisen und Käfer. Hatte sich Nischk mit den Schaben noch
überwiegend verhaltensbiologisch auseinandergesetzt, so bestand der
Kern des neuen Forschungsprojektes in der Bioakustik. Dass es dabei
um mehr als nur die Aufnahmen von Tierlauten geht, erfährt der Leser
dabei sehr schnell. Bioakustik beinhaltet unter anderem die
Möglichkeit, Tierarten – in diesem Fall die von Insekten und
Vögeln – anhand ihrer Lautsignale zu identifizieren. Aber es geht
um mehr. Welche Bedeutung haben die Laute in der inner- und
außerartlichen Kommunikation? Wie funktioniert Akustik als Waffe
gegen Fressfeinde?
Von der Bioakustik zur
Evolutionsbiologie
Dieser Dschungelaufenthalt wird auch
für den Leser zum Abenteuer, nicht nur wegen der lebendig
geschilderten ersten Nacht mit Mikrofon und Recorder und dem Konzert
im „Opernhaus Tropenwald“. Die eine oder andere Tierstimme kann
der Leser sogar per QR-Code selbst hören, so zum Beispiel das Wuhu
huuuu huu hu hu hu des Großen Potoo, einem armlangen Vogel aus
der Familie der Tagschläfer. Auch über das nächtliche Quaken der
Frösche und Kröten oder das morgendliche Heulen der Brüllaffen
berichtet der Forscher, um sich dann doch wieder seinem
Hauptaugenmerk, dem Konzert der Grillen und Zikaden zuzuwenden. Die
übrigens sind recht nahe mit den Schaben verwandt, was allerdings in
diesem Kapitel keine große Rolle spielt.
Mit seinen Geschichten, Abenteuern und
Erkenntnissen nähert sich Nischk mehr und mehr einem weiteren Thema
zu, der Evolutionsbiologie. Dass der Autor in dieses Thema anhand von
grün- und rotbeinigen Grillen einführt, ist nicht weiter
verwunderlich.
Für ein Netz aus Biotopen
Expeditionen in eine exotisch
scheinende Tierwelt lassen sich auch hierzulande unternehmen. Frank
Nischks Streifzüge durch heimische Biotope dienen nun im Abschnitt
drei einer Botschaft, die sich nahezu zwingend aus den Erkenntnissen
und Erfahrungen in den tropischen Welten ergeben: „Rettet die
Vielfalt“! Hier kritisiert der Autor nicht nur die Umweltzerstörung
und Artenvernichtung beispielsweise durch die industrielle
Landwirtschaft, er liefert auch Beispiele, für positive
Veränderungen und Initiativen und plädiert für ein Netz aus echten
Biotopen. Erhalt und Wiederherstellung von Artenvielfalt und intakten
Ökosystemen, so die Erkenntnis aus der Lektüre des Buches sind kein
Luxus, sondern Überlebensnotwendigkeit.
Frank Nischk, Die fabelhafte Welt
der fiesen Tiere. Ludwig 2020. Gebunden mit Schutzumschlag, 254
Seiten
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