Samstag, 4. April 2020

Die Fabelhafte Welt der fiesen Tiere

Von fürsorglichen Schaben, tauchenden Libellen und boxenden Krebsen

Frank Nischks Forscherkarriere begann mit einem Flop. Das Kolibri-Forschungsprojekt in Kolumbien, an dem der damalige Bio-Student als Praktikant teilnahm, scheiterte an den Streitereien zwischen den kolumbianischen und deutschen Wissenschaftlern. Nischk brauchte dringend ein neues Thema für seine Diplomarbeit. Und das ergab sich, als ihm der Kölner Zoologe Dambach eine Stele als bezahlte Hilfskraft und ein Diplomarbeitsthema anbot: Das Aggregationsverhalten der Blattella germanica, der Deutschen Schabe.



Auf die Schabe gekommen

Zunächst war auch die Schabenforschung nicht unbedingt Nischks Traumthema, obwohl er bereits seit seiner Kindheit eher die weniger kuschelige Seite der Tierwelt bevorzugte. Und so verwundert es nicht, dass die scheuen Krabbeltiere schnell eine gewisse Faszination auf den heutigen Biologen und Journalisten ausübten. Diese Faszination überträgt er im ersten Teil des Buches auf seine Leser. Dabei vermittelt er nicht nur spannende Informationen über Biologie und Verhalten er weitgehend ungeliebten Haus- und Küchengäste. Er bietet auch interessante Einblicke in die Kulturgeschichte der Schaben. Zudem reichert er die Informationen über die Schabentiere mit Anekdoten aus seinem Forschungsleben an, die durchaus mehr als nur unterhaltsam sind.

Das Konzert der Grillen und Zikaden

Überhaupt verbindet der Autor seinen beruflichen Werdegang geschickt mit den Informationen zu Tierarten, mit denen sich der Leser von alleine wohl kaum anfreunden würde. So führt Nischk im zweiten Teil des Buches in die Tiefen des ecuadorianischen Regenwaldes und in die Welt der allgegenwärtigen Grillen, Ameisen und Käfer. Hatte sich Nischk mit den Schaben noch überwiegend verhaltensbiologisch auseinandergesetzt, so bestand der Kern des neuen Forschungsprojektes in der Bioakustik. Dass es dabei um mehr als nur die Aufnahmen von Tierlauten geht, erfährt der Leser dabei sehr schnell. Bioakustik beinhaltet unter anderem die Möglichkeit, Tierarten – in diesem Fall die von Insekten und Vögeln – anhand ihrer Lautsignale zu identifizieren. Aber es geht um mehr. Welche Bedeutung haben die Laute in der inner- und außerartlichen Kommunikation? Wie funktioniert Akustik als Waffe gegen Fressfeinde?

Von der Bioakustik zur Evolutionsbiologie

Dieser Dschungelaufenthalt wird auch für den Leser zum Abenteuer, nicht nur wegen der lebendig geschilderten ersten Nacht mit Mikrofon und Recorder und dem Konzert im „Opernhaus Tropenwald“. Die eine oder andere Tierstimme kann der Leser sogar per QR-Code selbst hören, so zum Beispiel das Wuhu huuuu huu hu hu hu des Großen Potoo, einem armlangen Vogel aus der Familie der Tagschläfer. Auch über das nächtliche Quaken der Frösche und Kröten oder das morgendliche Heulen der Brüllaffen berichtet der Forscher, um sich dann doch wieder seinem Hauptaugenmerk, dem Konzert der Grillen und Zikaden zuzuwenden. Die übrigens sind recht nahe mit den Schaben verwandt, was allerdings in diesem Kapitel keine große Rolle spielt.
Mit seinen Geschichten, Abenteuern und Erkenntnissen nähert sich Nischk mehr und mehr einem weiteren Thema zu, der Evolutionsbiologie. Dass der Autor in dieses Thema anhand von grün- und rotbeinigen Grillen einführt, ist nicht weiter verwunderlich.

Für ein Netz aus Biotopen

Expeditionen in eine exotisch scheinende Tierwelt lassen sich auch hierzulande unternehmen. Frank Nischks Streifzüge durch heimische Biotope dienen nun im Abschnitt drei einer Botschaft, die sich nahezu zwingend aus den Erkenntnissen und Erfahrungen in den tropischen Welten ergeben: „Rettet die Vielfalt“! Hier kritisiert der Autor nicht nur die Umweltzerstörung und Artenvernichtung beispielsweise durch die industrielle Landwirtschaft, er liefert auch Beispiele, für positive Veränderungen und Initiativen und plädiert für ein Netz aus echten Biotopen. Erhalt und Wiederherstellung von Artenvielfalt und intakten Ökosystemen, so die Erkenntnis aus der Lektüre des Buches sind kein Luxus, sondern Überlebensnotwendigkeit.

Frank Nischk, Die fabelhafte Welt der fiesen Tiere. Ludwig 2020. Gebunden mit Schutzumschlag, 254 Seiten

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