Mittwoch, 13. März 2019

Vogelzug

Ein Buch über echte Weltbürger

Vögel sind ständig in Bewegung, und das nicht nur bei der Futtersuche an ihren Standorten. Sie legen tausende von Kilometern zurück, um in ihre Brutgebiete zu gelangen, dem harten Bedingungen des Winters zu entfliehen oder gar um in der Luft den größten Teil ihres Lebens zu verbringen. Bei dem Begriff Vogelzug denken wir in unseren Breiten zunächst an die Kraniche, die in spektakulären Flugformationen im Herbst in Richtung Süden ziehen. Oder die Stare, die vor ihrem Abflug atemberaubende Schwarmbilder in den Himmel malen. So richtig bewusst ist uns jedoch kaum, dass die meisten Vogelarten ihren Standort je nach Jahreszeit, Brut- und Futterbedingungen über mehr oder weniger große Distanzen wechseln und sich damit die Frage nach der „heimischen“ Vogelwelt bei näherer Betrachtung relativiert.


Mythen und Legenden um den Vogelzug

Schon in der Antike regte der Vogelzug die Phantasie der Menschen an schon allein deshalb, weil über Hintergründe und Charakter des jährlichen Verschwindens und Wiederauftauchens der Gefiederten kaum etwas bekannt war. Und so rankten sich bis in die frühe Neuzeit Mythen und Sagen um den Verbleib der Vögel, wie beispielsweise dem der Schwalben, die sich Plinius zufolge in die Tiefen der Berge zurückziehen und dort nackt und ohne Federn aufzufinden seien. Für Aristoteles verwandelten sich zum Winter Rotschwänzchen in Rotkehlchen und in England glaubte man, dass sich die Wachtelkönige im Winter in Ratten verwandeln. Das ist auch kein Wunder, denn eine globale Beobachtung von Tierwanderungen war in den frühen Zeiten nicht möglich und bis in die frühe Neuzeit galt das niedergeschrieben Wissen der antiken Dichter und Denker als unumstößlich.

Mit dem Beringen fing alles an

Tatsächlich ist auch den meisten Menschen heute die Komplexität des Vogelzugs nicht so richtig bewusst. Da gibt es Schwarm-, Einzel-, Tag-, Nacht-, Kurz- und Langstreckenzieher, flexible Zugrouten und eine Reihe von geographischen, klimatischen und meteorologischen Rahmenbedingungen, die die Details des Zugverhaltens bei den einzelnen Vogelarten bestimmen. Erst seit dem 19. Jahrhundert konnten diese Details durch Beobachtungen, mühsam Schritt für Schritt erforscht werden. Die ersten Vogelwarten entstanden und die Umsetzung der Idee des dänischen Lehrers Hans Christian Cornelius, Vögel zu fangen und zu beringen führte schließlich zu ersten spannenden Erkenntnissen, die geradezu einen Boom in der Zugvogelforschung auslöste. Seitdem hat sich viel getan.

Zugvögel unter weltweiter Beobachtung – das Icarusprojekt

Internationaler Datenaustausch über digitale Medien, Besenderung von Vögeln und Satellitenverfolgung bis hin zum Icarusprojekt kennzeichnen die Entwicklung der Erforschung des Vogelzugs. Mit dem speziellen Computer und den Antennen, die 2018 auf der internationalen Raumstation ISS in Betrieb gingen, hat nun ein neues Zeitalter der globalen Vogelzugbeobachtung nahezu in Echtzeit begonnen. Aber bereits bisher hat die Vogelforschung eine Fülle an Erkenntnissen ergeben, die - in diesem Buch dargestellt - vom Leser erst einmal verarbeitet werden müssen. So mancher Leser wird nach der Lektüre die gefiederten Freunde und ihre teilweise unglaublichen Leistungen mit anderen Augen sehen. Das gilt übrigens auch für die Gefahren, denen die eigentlich recht anpassungsfähigen Vögel nicht nur auf ihren Wanderungen ausgesetzt sind.

100 Millionen Vögel jährlich in Europa illegal vom Himmel geholt

Noch immer landen rund ums Mittelmeer massenhaft Vögel illegal in Netzen, auf Leimruten oder in Schlingen und auch in Europa werden unzählige Vögel im Rahmen von Schießorgien und anderen menschlichen Jagdmethoden bei ihren Zügen über das Land vom Himmel geholt. Jährlich fallen bis zu 100 Millionen Vögel europaweit illegalen Tötungen zum Opfer. Hinzu kommt, dass Urbanisierung und Landwirtschaft immer mehr Rastgebiete verschwinden lässt, der Klimawandel Brut- und Lebensbedingungen verändert und technische Bauwerke (z.B. Windkraftanlagen oder verglaste Fassaden) weiteren Tieren den Garaus machen. Lichtverschmutzung und Plastikmüll ergänzen die Palette menschengemachter Bedrohungen, die die Existenz ganzer Populationen und Vogelarten bedrohen.
Informationen über den praktischen Zugvogelschutz, Internationale Richtlinien, Schutzgebiete und Möglichkeiten für Jedermann, sich am Vogelschutz und -beobachtung zu beteiligen, runden das inhaltliche Spektrum des hochinformativen und reichhaltig illustrierten Buches ab.

Klaus Richarz: Vogelzug. Wbg Theiss, 2019. Gebunden mit Schutzumschlag, 192 Seiten.

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