Donnerstag, 2. März 2017

Gut gebrüllt

Die Sprache der Tiere

Wer sich intensiv mit seinen Haustieren auseinandersetzt, weiß, dass es viele Formen der gegenseitigen Verständigung gibt. Unter Katzen beispielsweise gibt es wahre Plappermäuler. Aber selbst schweigsame Samtpfoten haben ihrer lebendigen Umwelt viel mitzuteilen. In seinem Buch Gut gebrüllt begibt sich der Biologe Mario Ludwig auf die Spur der tierischen Kommunikation. Dabei stellt sich am Ende heraus, dass Tiere über eine Vielfalt an Kommunikationsinstrumenten und –strategien verfügen, mit denen sie teilweise erstaunlich komplexe und differenzierte Informationen austauschen können.

Zu den hinsichtlich des Informationsgehalts wohl sprachgewaltigsten Spezies gehören die Präriehunde. Ludwig präsentiert seinen Lesern anhand der Beschreibung wissenschaftlicher Versuche, was sich die geselligen Nagetiere alles mitzuteilen in der Lage sind. Dabei genügt ihnen ein kurzer Pfiff und der Wächter der Präriehundsiedlung hat seine Artgenossen beispielsweise über die Annäherung eines Menschen informiert. Für die Beschreibung des Menschen, ob dick oder dünn, ob schnellen oder langsamen Ganges, ob bekleidet mit grünem oder rotem T-Shirt würden Menschen sicherlich mehrere Sätze benötigen, der oben angeführte kurze Pfiff beinhaltet diese Informationen bereits. Vermutlich verwenden die Präriehunde Variationen in den schrillen Obertönen der Alarmrufe, um komplexe und differenzierte Botschaften an die Koloniemitglieder weiterzugeben. Die pfiffige Sprache der Nager muss von den Jungen übrigens erst erlernt werden.

Wenn Tiere wissen, was sie sagen

Dass die Präriebewohner auch noch verschiedene Dialekte ausbilden, ist allerdings keine Besonderheit im Tierreich. Das gilt neben vielen anderen Arten auch für Wale und Delfine. Die können sich sogar mit ihren individuellen Namen ansprechen, was auf die lange bestrittene Fähigkeit von höheren Tieren hinweist, ein individuelles Selbstverständnis zu entwickeln. Längst ist die Forschung weit genug, um echtes Sprach, also beispielsweise Begriffsbildungs- und Abstraktionsvermögen zuverlässig vom „Kluger-Hans-Effekt“ zu unterscheiden. Der beruht auf unbewussten Signalen, die der Mensch an das Tier sendet und damit gewünschtes Verhalten provoziert. Namensgeber für diesen Effekt ist das Droschkenpferd Hans, das Anfang des 20. Jahrhunderts eine gewisse Berühmtheit erreicht hatte, weil es vermeintlich Rechenaufgaben zu lösen verstand. Die Sprachbildungs- und Kommunikationsleistungen, die der Autor am Beispiel von Papageien und Primaten vorstellt, gehen ohnehin weit über das Hufescharren des Kutschpferdes hinaus.

Stimmbänder sind nicht alles

Es ist nicht nur die akustische Informationsvermittlung, die Sprache also Kommunikation ausmacht. Jeder weiß, dass es auch so etwas wie eine Körpersprache gibt, die vom Menschen in der Regel kaum wahrgenommen, im Tierreich neben der Lautäußerung zu den wichtigsten Kommunikationsmitteln überhaupt zählt. Immerhin funktioniert die Mensch-Primaten-Kommunikation über die von beiden Spezies vereinbarte Zeichensprache in der Regel sehr gut. Sprache, Kommunikation funktioniert also über Laute, Gebärden, Bewegungen, Farbsignale oder Düfte. Nicht alles, was hinsichtlich Kommunikation innerhalb einer Art und zwischen den Arten funktioniert, muss aber den Charakter dessen haben, was wir unter Sprache verstehen. Und so macht Ludwig bei seinem Streifzug durch das plappernde Tierreich auch vor den schwatzhaften Fischen, Reptilien, Insekten und den Themen Tarnen und Täuschen, also Mimikry und Mimese nicht halt. Und ganz am Schluss zeigt der Autor mit dem Kapitel „Löwenzahn ruft Biene“ auf, dass sogar Pflanzen erstaunliche Kommunikationsleistungen erbringen können.

Kurzweilig, informativ, unterhaltsam

Immer wenn der Tierfreund glaubt, dass er bereits weiß, was ihn im folgenden Kapitel erwartet, gelingt es Mario Ludwig mit neuen, tiefergehenden oder aktuelleren Informationen zu überraschen. Damit ist nicht nur gemeint, dass beispielsweise Heringe mit Blähungen über drei Oktaven kommunizieren oder dass es durchaus königliche Prügeleien im Ameisenbau gibt. Generell geht der Autor über den allgemeinen Kenntnisstand selbst informierter Tierfreunde hinaus und bleibt dennoch immer auf einer verständlichen, lebendigen und unterhaltsamen Sprachebene. Auch die Infokästen, mit denen der Autor dem Leser kompakte Hintergründe zu Nebenaspekten des jeweils behandelten Themas vermittelt, tragen zur Kurzweiligkeit der Lektüre bei. Mit seinem Buch Gut gebrüllt bekommt der Leser nicht nur Bildung und Unterhaltung, sondern auch eine Menge Denkanstöße.

Mario Ludwig: Gut gebrüllt! Die Sprache der Tiere. Theiss 2017, Gebunden mit Schutzumschlag, 225 Seiten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen