Die Sprache
der Tiere
Wer sich intensiv mit seinen Haustieren auseinandersetzt, weiß, dass es viele Formen der gegenseitigen Verständigung gibt. Unter Katzen beispielsweise gibt es wahre Plappermäuler. Aber selbst schweigsame Samtpfoten haben ihrer lebendigen Umwelt viel mitzuteilen. In seinem Buch Gut gebrüllt begibt sich der Biologe Mario Ludwig auf die Spur der tierischen Kommunikation. Dabei stellt sich am Ende heraus, dass Tiere über eine Vielfalt an Kommunikationsinstrumenten und –strategien verfügen, mit denen sie teilweise erstaunlich komplexe und differenzierte Informationen austauschen können.
Zu den hinsichtlich
des Informationsgehalts wohl sprachgewaltigsten Spezies gehören die
Präriehunde. Ludwig präsentiert seinen Lesern anhand der Beschreibung wissenschaftlicher
Versuche, was sich die geselligen Nagetiere alles mitzuteilen in der Lage sind.
Dabei genügt ihnen ein kurzer Pfiff und der Wächter der Präriehundsiedlung hat
seine Artgenossen beispielsweise über die Annäherung eines Menschen informiert.
Für die Beschreibung des Menschen, ob dick oder dünn, ob schnellen oder
langsamen Ganges, ob bekleidet mit grünem oder rotem T-Shirt würden Menschen
sicherlich mehrere Sätze benötigen, der oben angeführte kurze Pfiff beinhaltet
diese Informationen bereits. Vermutlich verwenden die Präriehunde Variationen
in den schrillen Obertönen der Alarmrufe, um komplexe und differenzierte
Botschaften an die Koloniemitglieder weiterzugeben. Die pfiffige Sprache der
Nager muss von den Jungen übrigens erst erlernt werden.
Wenn Tiere wissen, was sie sagen
Dass die
Präriebewohner auch noch verschiedene Dialekte ausbilden, ist allerdings keine
Besonderheit im Tierreich. Das gilt neben vielen anderen Arten auch für Wale und
Delfine. Die können sich sogar mit ihren individuellen Namen ansprechen, was
auf die lange bestrittene Fähigkeit von höheren Tieren hinweist, ein
individuelles Selbstverständnis zu entwickeln. Längst ist die Forschung weit
genug, um echtes Sprach, also beispielsweise Begriffsbildungs- und
Abstraktionsvermögen zuverlässig vom „Kluger-Hans-Effekt“ zu unterscheiden. Der
beruht auf unbewussten Signalen, die der Mensch an das Tier sendet und damit gewünschtes
Verhalten provoziert. Namensgeber für diesen Effekt ist das Droschkenpferd
Hans, das Anfang des 20. Jahrhunderts eine gewisse Berühmtheit erreicht hatte,
weil es vermeintlich Rechenaufgaben zu lösen verstand. Die Sprachbildungs- und
Kommunikationsleistungen, die der Autor am Beispiel von Papageien und Primaten
vorstellt, gehen ohnehin weit über das Hufescharren des Kutschpferdes hinaus.
Stimmbänder sind nicht alles
Es ist nicht
nur die akustische Informationsvermittlung, die Sprache also Kommunikation
ausmacht. Jeder weiß, dass es auch so etwas wie eine Körpersprache gibt, die
vom Menschen in der Regel kaum wahrgenommen, im Tierreich neben der
Lautäußerung zu den wichtigsten Kommunikationsmitteln überhaupt zählt. Immerhin
funktioniert die Mensch-Primaten-Kommunikation über die von beiden Spezies
vereinbarte Zeichensprache in der Regel sehr gut. Sprache, Kommunikation
funktioniert also über Laute, Gebärden, Bewegungen, Farbsignale oder Düfte.
Nicht alles, was hinsichtlich Kommunikation innerhalb einer Art und zwischen
den Arten funktioniert, muss aber den Charakter dessen haben, was wir unter
Sprache verstehen. Und so macht Ludwig bei seinem Streifzug durch das plappernde
Tierreich auch vor den schwatzhaften Fischen, Reptilien, Insekten und den Themen
Tarnen und Täuschen, also Mimikry und Mimese nicht halt. Und ganz am Schluss
zeigt der Autor mit dem Kapitel „Löwenzahn ruft Biene“ auf, dass sogar Pflanzen
erstaunliche Kommunikationsleistungen erbringen können.
Kurzweilig, informativ, unterhaltsam
Immer wenn
der Tierfreund glaubt, dass er bereits weiß, was ihn im folgenden Kapitel
erwartet, gelingt es Mario Ludwig mit neuen, tiefergehenden oder aktuelleren
Informationen zu überraschen. Damit ist nicht nur gemeint, dass beispielsweise
Heringe mit Blähungen über drei Oktaven kommunizieren oder dass es durchaus
königliche Prügeleien im Ameisenbau gibt. Generell geht der Autor über den
allgemeinen Kenntnisstand selbst informierter Tierfreunde hinaus und bleibt dennoch
immer auf einer verständlichen, lebendigen und unterhaltsamen Sprachebene. Auch
die Infokästen, mit denen der Autor dem Leser kompakte Hintergründe zu Nebenaspekten
des jeweils behandelten Themas vermittelt, tragen zur Kurzweiligkeit der
Lektüre bei. Mit seinem Buch Gut gebrüllt
bekommt der Leser nicht nur Bildung und Unterhaltung, sondern auch eine Menge
Denkanstöße.
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