Sonntag, 29. Januar 2017

Singen können die alle!

Handbuch für Negerfreunde

Darf man einen Schwarzen als Neger bezeichnen? Na klar, gibt Kabarettist und Schauspieler Marius Jung die einleuchtende Antwort, wenn man Neger ist. Der alltägliche unbekümmerte Rassismus und die verbissene Political Correctness sind Gegenstand des Buches Singen können die alle. Der Autor geht satirisch an das Thema heran und kann dabei aus dem Fundus seines eigenen Lebens als Schwarzer in Deutschland schöpfen.

Marius Jung bezeichnet seine satirische schwarze Biographie als Ratgeber. Sowohl der latente Rassist als auch der politisch korrekte „Negerfreund“ werden dabei mit Umgangsregeln, Aufgaben und Anleitungen konfrontiert, die nicht immer nur zum Schmunzeln verleiten, in jedem Fall aber zum Nachdenken anregen. Marius Jung präsentiert seine Lebensgeschichte lustig und selbstironisch. Beim  genaueren Lesen wird dem nicht völlig empathieunfähigen Betrachter aber auch die Situation deutlich, in der sich Minderheiten und Menschen mit besonderen Merkmalen in unserer Gesellschaft befinden.

Wenn von allen Seiten Diskriminierungskeulen drohen

Auch die nicht Rassisten haben es nicht immer leicht. Etwa dann, wenn die Diskriminierungskeulen geschwungen werden. Sei es in Form des zweckdienlichen Rassismusvorwurfs oder der Political Correctness. Marius Jung gelingt es, Verkrampfungen zu lockern und dadurch die Möglichkeit zu schaffen, sich der Problematik offen zu nähern. Und das nicht nur mit dem Instrument der Satire. Sachinformationen und nicht zuletzt logisch nachvollziehbare Überlegungen zum Gebrauch diskriminierender Begriffe, sowie eine ganz persönliche klare Position runden das inhaltliche Spektrum des Buches ab.

Auseinandersetzung statt Tabuisierung

Auch wenn es primär als leichte Unterhaltung daherkommt, Jungs Handbuch für Negerfreunde stellt einen wichtigen Beitrag zur Rassismusdebatte und zur Frage der Political Correctness dar. Besonders allergisch reagiert der Autor dabei auf das Bestreben, Wörter mit rassistischem Hintergrund, also „Böse“ Wörter nicht nur aus dem täglichen Sprachgebrauch, sondern auch aus der überkommenen Weltliteratur zu tilgen. Jungs Credo: Erst durch die Auseinandersetzung mit den Begriffen im historischen und gesellschaftlichen Kontext und nicht durch Tabuisierung lässt sich dem Rassismus begegnen.

Erfahrungen mit dem politisch korrekten Rassismus

Spätestens bei Kapitel 17 Exotisch, Lieb, Jung sucht . . . Neger im TV wird deutlich, dass sich Rassismus und Diskriminierung nicht nur an der Wortwahl festmachen lassen. Das Phänomen ist vielschichtig und macht vor den Hochburgen der Political Correctness nicht halt. Oft genug schlägt die gute Absicht ins Gegenteil um, wie Jungs Erfahrungen bei der Rollenbesetzung im Fernsehen zeigen. Im gut 150 Seiten starken Büchlein mit dem lustig provokanten Titel und Cover stecken mehr ernsthafte Denkanstöße für Rassisten und „Negerfreunde“, als es den Anschein hat.

Marius Jung: Singen können die alle. Handbuch für Negerfreunde. Carlsen 2013. Taschenbuch, 157 Seiten.

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