Montag, 15. Februar 2016

Neue Wildnis Deutschland - ein Buch von Micha Dudek

Wolf, Luchs und Biber kehren in die heimischen Wälder zurück


Dass Wolf und Luchs auf dem Weg zurück in die einst heimischen Wälder Deutschlands sind, hat sich durch entsprechende Publikationen in der Presse schon herumgesprochen. Und vielleicht wäre dies keine großen Meldungen Wert gewesen, würden gerade an den beiden erstgenannten Tierarten nicht auch Interessenskonflikte und Ängste besonders deutlich. Micha Dudek schreibt in „Neue Wildnis Deutschland“ auch über solche Aspekte, aber sein Thema ist viel umfassender.


Der Wiedehopf auf dem Truppenübungsplatz

Michael Dudek geht es trotz deutlichem persönlichen Engagements im Artenschutz nicht so sehr um einzelne Tierarten. Als studierter Landschaftsarchitekt und Umweltplaner sieht und vermittelt er die Zusammenhänge, die Wechselwirkungen zwischen Fauna, Flora, Mensch und Umwelt.
So ist es für den unbefangenen Leser zunächst wohl recht verblüffend, dass sich Dudek beispielsweise beim Besuch eines Truppenübungsplatzes, wo er dem Wiedehopf nachspürt, zunächst ausgerechnet über Ameisen und Ameisenlöwen auslässt. Dabei gehören diese Insekten nicht unbedingt zum Nahrungsrepertiore des Vogels mit der prächtigen Federkrone.

Tierarten als Landschaftsgestalter

Bei dem Thema „Neue Wildnis Deutschland“ geht es aber um Landschaftsentwicklung, um Eingriffe des Menschen in die Natur, um das Zusammenspiel von verschiedenen Tierarten, um die Auswirkungen der Landschaft auf die Tierarten und umgekehrt um die Auswirkungen bestimmter Tierarten auf die Landschaft. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise auch der heute so seltene, früher aber fast allgegenwärtige Wiedehopf zu sehen, an den man in Zusammenhang mit Wildnis in Deutschland sicher ebenso wenig zuerst denkt, wie beispielsweise an den Raben oder den Elch.

Projekte der Neuen Wildnis

Aber tatsächlich gehören die letztendlich zwar ausführlich, trotzdem aber nur beispielhaft behandelten Tiere wie der Biber, Ur und Wisent oder Uhu und Wildpferd eben zu sehr ursprünglichen Bewohnern unseres Landes, die inzwischen entweder von alleine oder durch Rückzuchten, Nachzuchten und Auswilderungen in unsere Gefilde zurückkehren. Dies aber eben in dem Maße, wie es der Mensch durch Schutz- oder landschaftsgestalterische Maßnahmen zulässt. Die Zusammenhänge zwischen menschlich, natürlichem Umfeld und Wiederansiedelung oder Populationsaufbau der Wildtierarten sind vielfältig. Und genau das erfährt der Leser im Rahmen der verschiedenen Projekte, die der Autor von Neue Wildnis Deutschland besucht.

Landschaftsarchitekt Biber

Aber bevor Dudek seine Rundreise beginnt, beschreibt er zunächst einmal die Umweltbedingungen der Eiszeit, aus der heraus viele der in diesem Buch behandelten Arten entstanden und zu verstehen sind. Mit den Pionieren im Artenschutz, unter anderem Hans Georg Pickers, dem Leiter und Begründer des seinerzeit revolutionären Urwildparks Sababurg stimmt Dudek in die Artenschutzidee ein. Und natürlich ist der Tierpark Sababurg auch eine Station auf Dudeks Rundreise zu Projekten und Reservaten.
Zunächst aber beginnt Dudek mit dem Elbebiber, dem Biberlehrpfad und dem Leiter des Arbeitskreises Biberschutz in Schleswig- Holstein. Der Biber, seit dem Mittelalter durch Mönche, aber auch durch Flussbegradigungen und Wasserbaumaßnahmen fast ausgestorben, gehört zu den Landschaftsschöpfern, geradezu zu den Pioniereinheiten des Tierreiches.

Bieber, Weißstorch, Auerochse

Dem Biber folgt der Weißstorch, dann das Ur, der Fischotter, der Elch und natürlich der prächtige Wiedehopf. Die Abfolge der Tiere im Buch ist nicht zufällig, sie ist durch die tatsächlichen gegenseitigen Abhängigkeiten geprägt, Abhängigkeiten zwischen Landschaftsgestaltern und Landschaftsnutzern beispielsweise. Und es ist auch kein Zufall, dass erst am Ende des Buches jene Tierarten folgen, die an der Spitze der Nahrungskette stehen, die Eulenvögel, allen voran der Uhu, der wunderschöne Luchs, der hochintelligente Kolkrabe und natürlich der geheimnisvolle Wolf.

Der Uhu auf dem Grabstein

Nicht nur die verständlich geschriebenen Texte machen das großformatige Buch zu einem Erlebnis, es sind auch die hervorragenden Bilder. Dudek ist nicht nur Landschaftsarchitekt, Umwelt- und Artenschützer und anerkannter Wolfsexperte, er ist auch noch Fotograf. Und so sind die Fotos in dem Buch durchaus etwas besonderes, selbst geschossen oder eben von Dudek mit dem Auge eines Fotografen ausgesucht, bringen sie dem Betrachter die Tiere oft sehr nahe. Etwa, wenn der auf einem Grabstein brütende Uhu, wachsam aber gelassen in das Teleobjektiv blickt oder der mächtige Wisentbulle einem tief und abschätzend in die Augen schaut.

Arten- und Naturschutzprojekte in Deutschland

Dudek nimmt den Leser mit auf seine Reise zu den Projekten, stellt ihnen die Initiatoren oder Leiter vor und erläutert sozusagen im persönlichen Gespräch die Spezifika sowohl der jeweiligen Tierart, aber auch des jeweiligen Programms und der dazugehörigen Umwelt. Die einzelnen Kapitel, die immer mit einen sehr umfassenden Merkmal-Katalog der ausgewählten Tierart endet, mach Lust darauf, die Projekte auch persönlich kennen zu lernen. Und auch hierfür bietet der Autor schließlich im Anhang unter dem Titel Links und schöne Aussichten jede Menge Informationen. Zu jedem Kapitel, und damit auch zu jedem Projekt findet der Leser hier Anschrift, homepage, Kontaktdaten Öffnungszeiten, weblinks und gegebenenfalls sogar Gastronomieangebote.

Micha Dudek: Neue Wildnis Deutschland – Wolf, Luchs und Biber kehren zurück. Thorbecke 2009. Hardcover, 160 Seiten.

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