Sonntag, 14. Februar 2016
Clio und Jack – eine Liebe in Venedig
Ein Buch über die Geschichte einer „Palastkatze“
Kater sind albern und überflüssig und haben nach Auffassung der überirdisch schönen weißen Perserkatze in ihrem venezianischen Palast ebenso wenig etwas verloren, wie Mann und drei der Kinder ihrer Mama, wie Clio die geliebte menschliche Palazzoregentin bezeichnet. Mit Ausnahme von Mama und ihrer achtjährigen Tochter Camilla würde Clio, ginge es nach ihr weder Kater noch Menschen in ihrem Palast dulden.
Aber die schöne Clio, die auf eine ehrfurchtgebietende weibliche Ahnenreihe zurückblicken kann, die in ihrem Palazzo die ebenfalls seit Generationen hier lebenden menschlichen Regentinnen in heroischem Einsatz immer wieder vor Übergriffen der skrupellosen Ratten geschützt hatte, wusste, was ihrem Stand angemessen war. Und so duldet sie die den dummen Regentinnengatten Peppone, die beiden völlig missratenen Sohne Luigi und Paolo und die dumme Pute von Tochter, die siebzehnjährige Simonetta, die nach Auffassung der Katzendiva einer ordinären, rolligen Dachkatze ähnelt. Denn Clio möchte Mama nicht betrüben und überhaupt ist Diplomatie und das Aufrechterhalten eines komplizierten Gleichgewichtes zwischen ganz unterschiedlichen Interessen und Parteien eine der zentralen Stärken einer adeligen Palastkatze von Welt.
Blasierte Katzenidylle
Was die Menschen in ihrer unglaublichen Beschränktheit nicht ahnen und was daher auch Mama weitestgehend verborgen bleibt, ist die unermüdliche Anstrengung Clios durch komplexe vielseitige Vereinbarungen und Verhaltenskodizes zwischen Ratten, Tauben, Mäusen und allem, was das Wohlergehen der edlen Bewohner des Hauses – also Clio, Mama und Camilla - stören könnte, zu schützen und zu bewahren. Und eigentlich hat Clio auch alles im Griff und ist mit sich unglaublich zufrieden – Peppone bezeichnet diesen Zustand in seiner grenzenlosen Einfalt als „etwas blasiert“ -, als sich die Ereignisse überschlagen und nicht nur das sorgfältig ausbalancierte Ordnungssystem der kätzischen Palastherrin, sondern auch der Familienfrieden ins Wanken gerät.
Chaos, dein Name ist Mann
Als nämlich Giovanni, der „augenblickliche Dauerverehrer“ der dummen Pute , eines Tages den einen proletenhaft ekligen Geruch ausströmenden, aus der Gosse gerettetes Katerchen anschleppt und zudem die Heirat der dummen Pute mit dem widerlichen Giovanni ansteht, ist es nicht nur mit der Contenance der edlen Perserin vorbei, sondern auch mit der ungeteilten Aufmerksamkeit von Mama und Camilla. Die finden plötzlich das stinkende, dumme und vor allem dreiste und respektlose männliche Katzenkind unheimlich süß, ohne zu merken, wie Jack durch seinen kindischen Jagd- und Spieltrieb innerhalb kürzester Zeit Clios mühsam aufgebautes Ordnungssystem außer Kraft setzt und Palast und Menschheit in größte Gefahr bringt.
humorig, tiefsinnig, fesselnd
Calotta Mink versteht es, eine vielschichtige und humorige Geschichte aus Katzensicht zu schreiben, ohne die Katzen selbst zu vermenschlichen. Typisches Katzenverhalten, das – wenn es darauf ankommt - selbst die „blasierte“ Clio an den Tag legt, wird dabei lediglich in menschliche Denkweisen übersetzt. Immer wieder verbirgt sich hinter der Komik der gegenseitigen Miss- und Unverständnisse zwischen Menschen und Katze eine gewisse Tiefgründigkeit, die allerdings leicht daherkommt und weder Lesespaß noch Lesefluss in irgendeiner Weise beeinträchtigt. Ich verrate kein Geheimnis, wenn – wie es bereits der Titel verspricht – die edle Clio und Jack, der in seinem Verhalten so wunderbar sämtliche Katerklischees bedient, am Ende doch noch zusammenkommen. Aber wie und wodurch das geschieht, welches Chaos sowohl im menschlichen als auch im tierischen Bereich erst entstehen muss, bis das eintreffen kann, was zum Erhalt beider „Dynastien“ eigentlich notwendig ist, das wird hier natürlich nicht verraten. Die Lektüre des Buches macht jedenfalls (tierischen) Spaß.
Und wenn man sich gelegentlich dabei ertappt, Gefallen an der kätzischen Sichtweise zu finden – etwa wenn Clios Gedanken das Unverständnis darüber zum Ausdruck bringen, dass Mama ihre eindeutig missratenen Kinder nicht bereit ist, einfach wegzugeben – dann wird das schriftstellerische Talent der Autorin, das den Leser einfach mitnimmt, deutlich.
Carlotta Mink: Clio und Jack. Eine Liebe in Venedig. Aaronis Collection 2011. Taschenbuch 190 Seiten. ISBN 978-3936524475
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