Mit seinem
Roman Moby Dick hat sich Herman
Melville unsterblich gemacht. Seine anderen Werke wie Redburn, Typee oder Billy Budd sind bei uns deutlich weniger
bekannt. Und abgesehen davon, dass Melville selbst auf einem Walfänger gefahren
ist, wissen die meisten Leser nur wenig über das Leben und die komplexe
Persönlichkeit des zu seinen Lebzeiten recht erfolglosen amerikanischen Schriftstellers.
In seiner Biographie erzählt der Amerikanist Arno Heller Melvilles Geschichte
und entführt den Leser in die Welt eines zu seiner Zeit weitgehend verkannten
literarischen Genies.
Am 01.August
1819 wird Herman Melville mütterlicherseits in die alteingesessene
holländisch-amerikanischen Familiendynastie Gansevoort hineingeboren. Auch sein
Vater, der Importkaufmann Allan Melville kann auf eine in der amerikanischen
Revolutionsgeschichte verankerte Familienvergangenheit zurückblicken. Bis zu
seinem 12. Lebensjahr nahm Herman Melvilles Leben einen geregelten, behüteten
Lauf, einer gesellschaftlichen Karriere steht auch angesichts wirtschaftlicher
Erfolge seines Vaters nichts im Wege. Der aber verspekuliert sich, geht
bankrott und nimmt sich 1832 das Leben. Herman muss die Schule abbrechen und
einen Job annehmen. Dieser und weitere familiäre Schicksalsschläge lassen aus
den soliden Start ins Leben zu einer sehr wechselhafte Berufskarriere Herman
Melvilles werden. 1839 heuert Melville als Hilfsmatrose auf einem Handelsschiff
in d er Atlantikfahrt an, 1841 schließt sich nach vergeblicher Jobsuche an Land
die Reise auf dem Walfänger Acushnet
an. Lange hält es ihn nicht an Bord, er desertiert auf die tropische
Marquesas-Insel Nukuhiva, gelangt auf einem australischen Walfänger nach
Tahiti, wird wegen Meuterei ins Gefängnis gesteckt, entkommt aber und kehrt
über mehrere weitere Stationen auf Inseln und an Bord von Schiffen im Oktober
1844 nach Boston zurück.
Am eigenen Genie gescheitert
Die fünf
Seefahrerjahre stellen bereits die abenteuerlichste Phase im Leben des Schriftstellers
dar, der 1847 mit der Heirat von Elisabeth Shaw seine bürgerliche Existenz
beginnt. Auch sein schriftstellerisches Schaffen währt gerade einmal rund 13
Jahre, bis zu seinem Lebensende am 28. September 1891 widmet sich Melville nur
noch seinen Gedichtsammlungen, denen allerdings ebenso wie vielen seiner
Prosawerke kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden ist. Auch wenn sich Melville
unter dem wirtschaftlichen Druck immer wieder an sogenannten „literarischen Brotarbeiten“
versucht, seine Kompromisslosigkeit lässt ihn letztendlich zu seinen Lebzeiten
scheitern. 20 Jahre nach seinem Tod entdeckt man in seinem Nachlass das
Romanfragment Billy Budd. Dessen
Veröffentlichung läutet schließlich die Wiederentdeckung des Schriftstellers ein,
der mit seinem Werk gewissermaßen posthum in der Zeit angekommen ist, der es in
schriftstellerischer und philosophischer Hinsicht entspricht.
Eine Entdeckungsreise durch Melvilles Leben,
Werk und Psyche
Mit seiner
Biographie führt Arno Heller seine Leser nicht nur durch das komplizierte Leben
und die komplexe Persönlichkeit des Schriftstellers, sein literarisches
Schaffen und seinen künstlerischen, literarischen und geistigen Kosmos. Er
vermittelt auch die historischen Hintergründe und den Zeitgeist, der Melvilles literarische
Erfolge, Misserfolge, Lebenssituationen und den daraus resultierenden psychischen
Druck nachvollziehbar werden lassen. Dabei integriert der Autor Auszüge aus
Melvilles auch in ihrer Intention vorgestellten Werken so geschickt in die
Biographie, dass seine teils neuen Erkenntnisse zur biographischen Authentizität
der Romane für den Leser plausibel sind. Nach der Wiederentdeckung Melvilles
sind bereits eine Reihe von teils außerordentlich umfangreichen Biographien und
Werkanalysen erschienen. Arno Hellers Publikation ist dabei von vergleichsweise
bescheidenem Umfang. Trotzdem ist seine Biographie eine gut lesbare, runde und vor
allem überzeugende Sache, die auch dem nicht literaturwissenschaftlich vorbelasteten
Leser den genialen Verfasser des legendären Moby
Dick und sein Lebenswerk persönlich näher bringt.
Arno
Heller: Herman Melville. Lambert
Schneider 2017. Gebunden mit Schutzumschlag, 320 Seiten.
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