Butter bei die Fische - und bitte nicht nur trommeln
Nun starten - wie
Buchreport berichtet - auch die Wiener Buchhandlungen ihre "Buy
Local" - Kampagnen. Ganz ehrlich, ich habe nichts gegen diese Aktionen,
schließlich fordern diese eigentlich, dass der Buchhandel nun auch endlich
unter Beweis stellen muss, worin seine besondere Qualität gegenüber anderen
Buchbezugsquellen tatsächlich besteht. Getrommelt wird vom stationären Buchhandel
- der sich im Rahmen seiner Kampagnen bislang vor allem durch seine Feindschaft
gegenüber Amazon definiert - vor allem mit den Begriffen Beratung und neuerdings
auch noch Fair Trade.
Beratung, ja, das ist schon etwas. Aber auch hier mal ganz
ehrlich, geht’s da nicht ein wenig genauer? Bei Beratung denke ich zuerst immer
an den Apotheker, der mir versucht zu erklären, dass die Medikamente
und Mittelchen, an denen er besonders gut verdient, besser sind, als das
vielleicht wirkungsvollere aber letztendlich kostenlose Hausmittel. Welche
Beratung hinsichtlich seines Lesestoffs braucht ein halbwegs netzaffiner Leser
denn tatsächlich? Die Frage ist gar nicht rhetorisch gemeint, denn immerhin
bekommt der Buchkäufer, der sich nicht im Buchhandel "beraten" lässt,
über die vielen Möglichkeiten im Netz, auch die Bücher vorgeschlagen,
die ihm der beratende stationäre Buchhändler - ungeachtet der tatsächlichen
Qualität des jeweiligen Werkes - schlichtweg vorenthält. Die Bücher der
Selfpublisher beispielsweise (und hier beileibe nicht nur die Kindle-Editions).
Und mehr noch als der einzelne Buchhändler objektiv in der Lage ist, lesen und
bewerten Legionen von Literaturbloggern Bücher - manchmal sogar abseits des
Mainstreams.
Nicht mehr ganz von
dieser Buchwelt
So sehr ich den stationären Buchhandel auch schätze. Aber
das mit dem Fair Trade* ist schon eine ziemlich abgefahrene Marketingmasche.
Fair Trade bedeutet in der Regel, dass der Händler dafür steht, dass die
Produzenten der von ihm vertriebenen Waren nicht ausgebeutet werden. Beim Kampagnen-Fair
Trade werben die Buchhändler damit, ihre Mitarbeiter nach Tarif zu bezahlen. Die
Produzenten von Büchern sind aber - sorry, dass das Buchhändlern immer noch
gesagt werden muss - zunächst und vor allem die Autoren! Und diesen Produzenten
gegenüber Fair Trade zu betreiben müsste eigentlich auch bedeuten, Selfpublishern
faire Chancen im stationären Buchhandel einzuräumen oder beispielsweise von
Verlagen, die ihre Backlistautoren nicht fair behandeln, auch keine Bestseller
im Sortiment zu führen. Das wäre das Gegenmodell, das den Aufruf zum
Amazon-Boykott eigentlich erst glaubwürdig macht. Da gehört der Begriff
"Fair Trade im Buchhandel" eigentlich hin.
Wenn Kampagnen
funktionieren sollen, muss das Produkt stimmen
Die propagandistische Verwendung dieses ganz wichtigen
Begriffes für einen Marketing-Seitenhieb auf die Amazon-Zeitarbeiter-Affäre
zeigt, wie wenig ehrlich die Aufregung der stationären Buchhandelsfraktion um
die (tatsächlich in der Wirtschaft allgegenwärtige) Ausbeutung von
Arbeitskräften bei Amazon wirklich ist. Um es ganz klar zu sagen: Wer
tatsächlich etwas zu bieten hat, sollte das Leid anderer Menschen nicht dazu
verwenden, sein eigenes Süppchen zu kochen. Wie wäre es mal mit einer
Buchhändlerkampagne gegen Zeitarbeit, Niedriglohn und Lohndumping im
Einzelhandel allgemein und bei den Zustelldiensten ihrer Grossisten oder von
Verlagen im Besonderen? Vielleicht als Prüfstein für die Parteien zu den
nächsten Bundestagswahlen.
Buchhandel in der
Subventionsfalle
„Groß bedeutet nicht billiger“. Wieder eines der weinig
durchdachten Argumente der Käufermobilisierungs-Kampagne. Natürlich nicht, denn
Buchhandel und Verlage werden seit eh und je durch einen niedrigen
Mehrwertsteuersatz auf das gedruckte Buch subventioniert und durch die
Buchpreisbindung im Gegensatz zu vielen anderen Branchen vor einem Preiswettbewerb
geschützt. Und gerade vor diesem Hintergrund ergibt sich geradezu zwangsläufig
die Tatsache, dass klein auch nicht zwingend besser bedeutet. Denn das Erzielen
eines kostendeckenden Preises setzt eben keine besondere zusätzliche Leistung gegenüber
dem Wettbewerb voraus. Ich würde mich tatsächlich freuen, wenn es den
Stationären Buchhandel auch weiterhin geben würde. Ob das aber durch
"Parolen" erreicht wird, die sich (mit Ausnahme des skurrilen Fair
Trade-Verständnisses) überhaupt nicht von den seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig
vorgetragenen Argumenten des stationären Fachhandels - welcher Branche auch
immer - unterscheiden, mag dahingestellt bleiben.
Als Autor und Leser wünsche
ich mir den Buchhändler als Literaturpartner vor Ort
Als wirklicher Fan von Buchhandlungen finde ich diese
platten Marketingkampagnen zum . . . . Ich würde mir wünschen, statt einer im
Einzelfall überflüssigen "Beratung" beim Stöbern einfach mal eine
Tasse Kaffee zu bekommen und bei meinem Besuch im Laden vielleicht zufällig auf einen Autor aus
meiner Region zu stoßen und mit ihm zu plaudern (ohne dass das gleich ein riesiges
Verkaufsevent sein muss). Das darf dann durchaus auch ein sogenannter
Independent Publisher* oder Backlistautor sein. Mit anderen Worten: Sorgt
dafür, dass der Besuch im Buchladen wirklich zum Erlebnis wird, dann klappt’s
auch wieder mit dem Umsatz und man ist nicht auf hohle Marketingsprüche
angewiesen.
Stellt doch einfach mal coole Buchläden (ich weiß, dass es
die gibt) mit einem ansprechenden, möglichst nicht allzu elitären Konzept und
ein paar neue Ideen vor. Das ist wesentlich werbewirksamer, als das Klopfen von
Sprüchen, hinter denen keine andere Botschaft steckt als: Wir wollen, dass
alles so bleibt wie zu Zeiten, als es noch keinen Online-Handel gab. Und wenn
sich auch ständig die ganze Welt ändert, wir wollen das nicht – also kauft bei
uns!!!
Ganz ehrlich, überzeugendes Marketing ist etwas anderes und es fängt in jeder einzelnen
Buchhandlung an.
*Aus Buchreport: "Fair
Trade garantiert"
*Zum Hintergrund des
Marktes der unabhängigen Verlage, Autoren und Buchhändler (Indies) lesen Sie
auch: Autorenkosmos
4. Über die Notwendigkeit neuer Wege im Literaturgeschäft
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen