Montag, 15. April 2013

Wenn sich Buchkrämer selbst feiern



Butter bei die Fische - und bitte nicht nur trommeln

Nun starten - wie Buchreport berichtet - auch die Wiener Buchhandlungen ihre "Buy Local" - Kampagnen. Ganz ehrlich, ich habe nichts gegen diese Aktionen, schließlich fordern diese eigentlich, dass der Buchhandel nun auch endlich unter Beweis stellen muss, worin seine besondere Qualität gegenüber anderen Buchbezugsquellen tatsächlich besteht. Getrommelt wird vom stationären Buchhandel - der sich im Rahmen seiner Kampagnen bislang vor allem durch seine Feindschaft gegenüber Amazon definiert - vor allem mit den Begriffen Beratung und neuerdings auch noch Fair Trade.

Beratung, ja, das ist schon etwas. Aber auch hier mal ganz ehrlich, geht’s da nicht ein wenig genauer? Bei Beratung denke ich zuerst immer an den Apotheker, der mir versucht zu erklären, dass die Medikamente und Mittelchen, an denen er besonders gut verdient, besser sind, als das vielleicht wirkungsvollere aber letztendlich kostenlose Hausmittel. Welche Beratung hinsichtlich seines Lesestoffs braucht ein halbwegs netzaffiner Leser denn tatsächlich? Die Frage ist gar nicht rhetorisch gemeint, denn immerhin bekommt der Buchkäufer, der sich nicht im Buchhandel "beraten" lässt, über die vielen Möglichkeiten im Netz, auch die Bücher vorgeschlagen, die ihm der beratende stationäre Buchhändler - ungeachtet der tatsächlichen Qualität des jeweiligen Werkes - schlichtweg vorenthält. Die Bücher der Selfpublisher beispielsweise (und hier beileibe nicht nur die Kindle-Editions). Und mehr noch als der einzelne Buchhändler objektiv in der Lage ist, lesen und bewerten Legionen von Literaturbloggern Bücher - manchmal sogar abseits des Mainstreams.

Nicht mehr ganz von dieser Buchwelt

So sehr ich den stationären Buchhandel auch schätze. Aber das mit dem Fair Trade* ist schon eine ziemlich abgefahrene Marketingmasche. Fair Trade bedeutet in der Regel, dass der Händler dafür steht, dass die Produzenten der von ihm vertriebenen Waren nicht ausgebeutet werden. Beim Kampagnen-Fair Trade werben die Buchhändler damit, ihre Mitarbeiter nach Tarif zu bezahlen. Die Produzenten von Büchern sind aber - sorry, dass das Buchhändlern immer noch gesagt werden muss - zunächst und vor allem die Autoren! Und diesen Produzenten gegenüber Fair Trade zu betreiben müsste eigentlich auch bedeuten, Selfpublishern faire Chancen im stationären Buchhandel einzuräumen oder beispielsweise von Verlagen, die ihre Backlistautoren nicht fair behandeln, auch keine Bestseller im Sortiment zu führen. Das wäre das Gegenmodell, das den Aufruf zum Amazon-Boykott eigentlich erst glaubwürdig macht. Da gehört der Begriff "Fair Trade im Buchhandel" eigentlich hin.

Wenn Kampagnen funktionieren sollen, muss das Produkt stimmen

Die propagandistische Verwendung dieses ganz wichtigen Begriffes für einen Marketing-Seitenhieb auf die Amazon-Zeitarbeiter-Affäre zeigt, wie wenig ehrlich die Aufregung der stationären Buchhandelsfraktion um die (tatsächlich in der Wirtschaft allgegenwärtige) Ausbeutung von Arbeitskräften bei Amazon wirklich ist. Um es ganz klar zu sagen: Wer tatsächlich etwas zu bieten hat, sollte das Leid anderer Menschen nicht dazu verwenden, sein eigenes Süppchen zu kochen. Wie wäre es mal mit einer Buchhändlerkampagne gegen Zeitarbeit, Niedriglohn und Lohndumping im Einzelhandel allgemein und bei den Zustelldiensten ihrer Grossisten oder von Verlagen im Besonderen? Vielleicht als Prüfstein für die Parteien zu den nächsten Bundestagswahlen.

Buchhandel in der Subventionsfalle

„Groß bedeutet nicht billiger“. Wieder eines der weinig durchdachten Argumente der Käufermobilisierungs-Kampagne. Natürlich nicht, denn Buchhandel und Verlage werden seit eh und je durch einen niedrigen Mehrwertsteuersatz auf das gedruckte Buch subventioniert und durch die Buchpreisbindung im Gegensatz zu vielen anderen Branchen vor einem Preiswettbewerb geschützt. Und gerade vor diesem Hintergrund ergibt sich geradezu zwangsläufig die Tatsache, dass klein auch nicht zwingend besser bedeutet. Denn das Erzielen eines kostendeckenden Preises setzt eben keine besondere zusätzliche Leistung gegenüber dem Wettbewerb voraus. Ich würde mich tatsächlich freuen, wenn es den Stationären Buchhandel auch weiterhin geben würde. Ob das aber durch "Parolen" erreicht wird, die sich (mit Ausnahme des skurrilen Fair Trade-Verständnisses) überhaupt nicht von den seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig vorgetragenen Argumenten des stationären Fachhandels - welcher Branche auch immer - unterscheiden, mag dahingestellt bleiben.

Als Autor und Leser wünsche ich mir den Buchhändler als Literaturpartner vor Ort

Als wirklicher Fan von Buchhandlungen finde ich diese platten Marketingkampagnen zum . . . . Ich würde mir wünschen, statt einer im Einzelfall überflüssigen "Beratung" beim Stöbern einfach mal eine Tasse Kaffee zu bekommen und bei meinem Besuch im Laden vielleicht zufällig auf einen Autor aus meiner Region zu stoßen und mit ihm zu plaudern (ohne dass das gleich ein riesiges Verkaufsevent sein muss). Das darf dann durchaus auch ein sogenannter Independent Publisher* oder Backlistautor sein. Mit anderen Worten: Sorgt dafür, dass der Besuch im Buchladen wirklich zum Erlebnis wird, dann klappt’s auch wieder mit dem Umsatz und man ist nicht auf hohle Marketingsprüche angewiesen.
Stellt doch einfach mal coole Buchläden (ich weiß, dass es die gibt) mit einem ansprechenden, möglichst nicht allzu elitären Konzept und ein paar neue Ideen vor. Das ist wesentlich werbewirksamer, als das Klopfen von Sprüchen, hinter denen keine andere Botschaft steckt als: Wir wollen, dass alles so bleibt wie zu Zeiten, als es noch keinen Online-Handel gab. Und wenn sich auch ständig die ganze Welt ändert, wir wollen das nicht – also kauft bei uns!!!
Ganz ehrlich, überzeugendes Marketing ist etwas anderes und es fängt in jeder einzelnen Buchhandlung an.

*Aus Buchreport: "Fair Trade garantiert"
*Zum Hintergrund des Marktes der unabhängigen Verlage, Autoren und Buchhändler (Indies) lesen Sie auch: Autorenkosmos 4. Über die Notwendigkeit neuer Wege im Literaturgeschäft

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