Mittwoch, 4. Oktober 2017

Eulen

Ein Buch über die geheimnisvollen Vögel

Wir kennen sie als weise Eule der Athene, als unheimliche Todesboten, als Wächter der Schatten oder einfach als selten sichtbare Waldbewohner. Auf Flugschauen der Falknereien lernen wir zudem, dass er imposante Uhu und seine Kollegen aufgrund ihrer besonderen Flügelausstattung den geräuschlosen Flug beherrschen, des Nächtens jagen oder ein unglaubliches Hör- und Sehvermögen haben. Dass der Uhu gerne auch mal den ebenfalls oft vorgeführten Adler als Beute schlägt, erfährt der Besucher der Flugschau kaum. Dabei weisen die rund weltweit 250 Eulenarten nicht nur gravierende Unterschiede Verhalten, Eigenschaften oder Größe auf. So bringt der Elfenkauz gerade einmal  40 g auf die Waage, während der Uhu bis zu 4,6 kg Eigengewicht durch die Lüfte wuchtet. In ihrem Buch Eulen stellen die Fotografen und Autoren Mike Unwin und David Tipling mehr als 50 Arten dieser faszinierenden gefiederten Beutegreifer vor.

Bereits in der Einleitung wird dem Leser klar, dass er es bei den zwei Familien der Ordnung der Eulen ([Schleiereulen (Tytinidae) und Eigentliche Eulen (Strigidae)] mit einer außerordentlich vielseitigen und hinsichtlich Erscheinungsformen, Eigenarten und Fähigkeiten geradezu aufregenden Gruppe  von Greifvögeln zu tun hat. Den Eulenvögeln gemeinsam ist der große Kopf, das runde Gesicht, die riesigen nachtsichtigen und unbeweglichen Augen, der mehr oder minder stark ausgeprägte Sattelitenschüsselartige Federkranz um die Augen, das außerordentlich gute Gehör und die Fähigkeit, den Kopf um bis zu 270 Grad zu drehen. Aber nur 69 Prozent der Arten sind nachtaktiv, drei Prozent jagen tagsüber und der Rest eher in der Dämmerung. Eulen gelten als Standortfest, dennoch gehören einige Arten wie etwa die Schneeeule zu den Zugvögeln. Eulen bewohnen nicht nur den Wald, sondern nahezu alle Habitate der Erde. Sie unterscheiden sich auch in ihrer „Jagdausstattung“. So haben beispielsweise Fischuhus ungefiederte Beine, um beim Jagen kein Wasser aufzunehmen, dafür aber Schuppen an den Klauen, die es ermöglichen, ihre glitschige Beute sicher zu halten.

Spezialisten und Generalisten

Über erstaunliche Kräfte verfügen sie alle. Die meisten sind in der Lage, Beute zu schlagen, die größer und schwerer ist, als sie selbst. Die Klauen des etwa 2,5 kg schweren Virginia-Uhus beispielsweise können ebenso viel Druck ausüben, wie der Biss eines Rottweilers. Der langbeinige Kaninchenkauz ist als ausgesprochener Bodenbewohner bekannt. Er brütet in Erdhöhlen in den Prärien Nordamerikas, in der südamerikanischen Pampa, in Halbwüsten, Savannen und Steppen. Von erhöhten Plätzen aus lauert der rund 200 Gramm leichte Jäger auf seine Beute - Heuschrecken, Skorpione, Frösche, Kleinsäuger oder Vögel – um sie im lautlosen Gleitflug vom Boden aufzuklauben. Insekten kann er auch zu Fuß fangen oder in der Luft greifen. Allein wegen seines Aussehens ist der Bewohner der südamerikanischen Tieflandregenwälder, der aber auch in einer Höhe von rund 2000 Metern anzutreffen ist, erwähnenswert.

Uhus, Eulen, Käuze, faszinierende Jäger

Der oben erwähnte Uhu ist wohl einer der mächtigsten Greifvögel der Erde. Er schlägt nicht nur den besagten Adler, sondern auch Rehkitze, Krähen, Tauben, Kormorane oder Kraniche. Ganz besonders wild ist er aber tatsächlich auf andere Raubvögel, darunter auch seine kleineren EulenkollegInnen. Igel, Forelle, Frischlinge, Füchse und Hauskatzen, vor dem wilden Jäger ist kaum etwas sicher. Und wer weiß, dass der Vogel mit einer Flügelspannweite von bis zu knapp zwei Meter Tiere bis zur Größe von Kaninchen im Ganzen verschluckt, bekommt eine Ahnung davon, was passieren kann, wenn sich ein Mensch unbedachter Weise zur Brutzeit dem Nest nähert. Denn bei der Verteidigung des Nests macht  der geflügelte Kämpe auch vor Menschen und Hunden nicht Halt.
Jede der 50 Arten, die die Autoren in ihrem Buch in Wort und großartigen Fotos vorstellen ist einzigartig, aufregend und begeisternd. Dennoch gelingt es ihnen bei aller eigenen Faszination den Leser in recht sachlicher Art zu informieren. Neben den „technischen Daten“, dem Habitat, ausführlicher Beschreibung der Erscheinung, Beutespektrum, Verbreitung und Bedrohungsstatus lassen die Autoren den Leser auch nicht über die typischen Laute im Unklaren, die die Vögel von sich geben. Auch hier eine außerordentliche Bandbreite vom bekannten Uhu-Ruf bis zum Krächzen oder Kläffen.

Entlegene Inseln mit eigenen Eulenarten

Mike Unwin und David Tipling haben die vorgestellten Eulenarten auf die sechs Biogeografischen Regionen (Ökozonen) aufgeteilt, für die sie besonders charakteristisch sind, auch wenn sich viele Eulenarten in ihrer Verbreitung nicht unbedingt an die Ökozonen halten. Während die indomalaiische und die australische Region in einem Kapitel zusammengefasst sind, haben die Autoren noch eine besondere „Region“ hinzugefügt: Die Inselwelt. Damit stellen sie den interessanten Aspekt der endemischen Arten in den Mittelpunkt. Da findet der Leser die winzige Kubaeule, die mittelgroße Malegasseneule oder die Palaueule, die auf dem entlegenen Archipel, rund 1000 Kilometer nördlich von Neuguinea und 3200 Kilometer südlich von Tokio beheimatet ist.
Ein wunderbares Buch nicht nur für Eulenfans.

Mike Unwin, David Tipling: Eulen. Theiss 2017. Großformatig, gebunden mit Schutzumschlag 288 Seiten.

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