Freitag, 12. Februar 2016

Ships Fastenings – vom genähten Boot bis zum Dampfer

212-4194-Product_LargeToMediumImage-thumbSchiffsverbindungen: auf den ersten Blick kaum vorstellbar, dass ein Buch, das sich auf solche Details, also beispielsweise Nägel, Dübel oder Nieten beim Schiffsbau beschränkt, und dann noch den nicht gerade spritzigen Titel „Ships Fastenings“ trägt, bei allzuviel Menschen vor lauter Vorfreude auf die Lektüre die Augen glänzen lässt - aber.

Aber genau das sollte es, zumindest bei jenen Menschen, die sich für Kultur- und Schifffahrtsgeschichte, für Archäologie oder Schiffsmodellbau interessieren und natürlich der englischen Sprache mächtig sind. Denn der Gegenstand des Buches „Ships Fastenings“ aus der Texas A&M University Press ist alles andere als trocken. Der Autor, Michael McCarthy, der sich nunmehr seit nahezu 30 Jahren auf dieses Thema eingeschossen hat, war als Archäologe bei der Bergung von Schiffswracks beteiligt, von denen selbst informierte Leser bis zur Lektüre des Buches noch gar nicht wussten, dass es sie gab. Und nicht nur der Bezug zur Praxis der Unterwasserarchäologie eröffnet dem Leser spannende Welten. „Ships Fastenings“ ist ein Überblicksbuch, das trotzdem sehr detailiert über die verschiedenen Lösungen bei dem Problem, ein Schiff stabil zusammenzufügen, informiert. Es beginnt bei den ersten, „zusammengenähten“ Wasserfahrzeugen, unr führt bis hin zu den stählernen Dampfschiffen. 

Schiffe zusammennähen - einfache Technik mit zahllosen Varianten

Bereits im ersten Kapitel, das bezeichnender weise „Fastened without Nails“ heißt und nur im Untertitel „The Sewn Boat“ auf eine der steinzeitlichen Konstruktionstechniken verweist, wird deutlich, wie vielfältig selbst einfachste Verbindungstechniken sein können. Flöße beispielsweise, können auf vielfältige Weise zusammengebunden oder auch zusammengesteckt werden. McCarthy veranschaulicht, dass jede Kultur, jede Region, Floß- und Bootsbauer innerhalb einer Region, sogar Nachbarn, ganz verschiedene Variationen der Schiffsverbindungen anwenden konnten. Da spielen kulturelle, traditionelle oder materielle Faktoren eine erhebliche Rolle. Und so vielfältig wie die spezifischen Ausprägungen einzelner Verbindungstechniken, sind auch deren Bezeichnungen, die zwar einerseits Verwirrung stiften, andererseits aber auch kulturhistorische und technikgeschichtliche Entwicklungen des Schiffsbaus aufdecken können.

Schiffbau mit Schnur, Dübeln und Kupfernägeln

McCarthy verbindet in „Ships Fastenings“ auf eine sehr lesbare und einsichtige Weise die komplexen Zusammenhänge zwischen Schiffbautraditionen- und Entwicklungen, Kulturen, Unterwasserarchäologie, Begriffsdefinitionen und Geschichte, die am Ende in spezifischen Verbindungstechniken münden. Denn so wird bei der Lektüre des Buches sehr schnell klar, ohne diese scheinbar unscheinbaren Details des Schiffsbaus gäbe es schlichtweg keine Schifffahrt. Besonders spannend immer wieder die Übergänge und Kombinationen verschiedener Techniken, so beispielsweise der Einsatz von Holzdübeln und Kupfer- beziehungsweise Bronzenägeln bei genähten Plankenbooten der Bronzezeit. Kraweel, also auf Stoß geplankte Schiffe forderten andere Verbindungslösungen wie die einander überlappende Klinkerbeplankung. In Eisenzeit, Mittelalter und Neuzeit fanden Nägel, Bolzen Krampen und zahllose andere eiserne Beschlagteile ihren Eingang in den Schiffbau, überraschenderweise aber auch wieder Kupfer- und Bronzenägel. Und kaum vorstellbar, wie unterschiedlich die verschiedenen Traditionen, hier seien nur die Mediterrane, die Keltische oder die Chinesische genannt, die im Prinzip gleiche Aufgabe mit im Prinzip gleichen Mitteln gelöst hatten.

Die Nieten der Unterseebootes Huntley

Und natürlich entwickelten sich auch so etwas wie Standards- und Normen bei den Nägeln, Bolzen oder später Nieten. Da wurden für die Teile mit Aufkommen des vorindustriellen Schiffsbaus nach Größe, Gewicht oder Funktion Bezeichnungssysteme und Definitionen entwickelt, die den heutigen Betrachter nahezu zur Verzweiflung bringen können. Denn selbstverständlich waren die französischen Maße und Gewichte aber eben auch die Verbindungstechniken nicht die gleichen wie beispielsweise in England, so dass selbst mit der gleichen Bezeichnung unterschiedliche Teile gemeint sein konnten. „Ships Fastenings“ ist unglaublich komplex und spannend, allein die Beplankung eines Schiffes mit Eisen und ihre Verbindung mit Nieten ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Kapitel für sich, dafür sorgt nicht nur der Absatz „Fastening a Submarine: The HL Huntley Case“ über das genietete Eisen-U-boot der amerikanischen Konföderation von 1863. 

Ships Fastenings, ein Standardwerk für Studium und Wissenschaft

„Ships Fastenings“ bietet einen sehr fundierten und mit konkreten Beispielen illustrierten Überblick. Zudem finden sich im Anhang auch zahlreiche Literaturhinweise zur Vertiefung einzelner Verbindungstechniken und Aspekte der Schiffbaugeschichte. Und nicht nur für Schiffsbaufans interessant: die „Explanatory Notes on Metallic Fastenings“, in denen historische Nägel, Bolzen oder Nieten unter den verschiedensten Aspekten, angefangen von Gewicht, Größe oder Kosten über Bezeichnung bis zur konkreten Anwendung beschrieben und wissenschaftlich Diskutiert werden.  

Michael McCarthy: Ships Fastenings – From Sewn Boat to Steamship. A&M University Press 2005. Hardcover, 229 Seiten.

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