Freitag, 12. Februar 2016

Rezension: Entscheidung im Mittelmeer

2285 - Entscheidung MittelmeerVon der Thronbesteigung Suleimans im Jahre 1521 bis zur Seeschlacht bei Lepanto 1580 schildert Roger Crowley den Kampf der Christen und Osmanen um das Mittelmeer. Aber eigentlich ist es eine kleine Weltgeschichte des 16. Jahrhunderts, die Crowly in seinem Buch „Entscheidung im Mittelmeer“ abhandelt.

Auch, wenn die Auseinandersetzung zwischen christlicher und osmanischer Welt letztendlich im Mittelmeer mit der Seeschlacht vor Lepanto seinen spektakulären Höhepunkt fand, die Einflussfaktoren für den Ausgang und den Ablauf des Ringens der Weltreiche im Mittelmeer reichten bis nach Amerika.

Osmanische Seeräuber, christliche Ritterorden zur See

Die Geschichte des Buches „Entscheidung im Mittelmeer“ beginnt mit der Thronbesteigung Suleimans, der 1521/22 mit der Eroberung Belgrads und der Insel Rhodos seinen Anspruch auf die Errichtung eines osmanischen Weltreiches untermauerte. Die türkischen Sultane - für die Christen waren alle Muslime Türken - schienen über geradezu unbeschränkte finanzielle und militärische Mittel zu verfügen. Die untereinander zerstrittenen christlichen Gegner wirkten im Ringen um die Macht vor dem Hintergrund der osmanischen Zentralregierung hoffnungslos unterlegen. Die Türken vor Wien, an der afrikanischen Mittelmeerküste, an der französischen Küste, Raubzüge der islamischen Freibeuter an den Küsten Italiens und Spaniens, die christliche Welt war umzingelt und bedroht von den unaufhaltsamen Horden des expansionslüsternen Sultans. Und nun war auch noch der christliche Vorposten auf Rhodos gefallen, die Johanniter in einem blutigen Gemetzel von ihrer Insel vertrieben, das Mittelmeer und damit der direkte Zugang zum Herz der christlichen Welt lag den Türken offen.

Das Gold der Hohenzollern

Tatsächlich war das Leben der Menschen an den christlichen Küsten angesichts der ständigen Piratenüberfälle mit Plünderungen und Verschleppung der Bevölkerung in die Sklaverei, wie Roger Crowley in „Entscheidung im Mittelmeer“ anschaulich beschreibt, unerträglich. Ähnlich unerträglich sicherlich, wie das Leben der Menschen, die als Beute der tapferen Johanniter und anderer christlicher Freibeuter, die wiederum die Küsten und Schiffe der Osmanen heimgesucht hatten und nicht nur von den Türken als Seeräuber gesehen wurden. Christen, Muslime, Konvertiten beider Seiten, waren Opfer und Täter im Machtgerangel der Großmächte des 16. Jahrhunderts, von denen es eben mehr als nur das osmanische Reich gab. Der türkischen Welt standen nämlich als Hauptgegner die Habsburger Karl V. und Philipp II. von Spanien gegenüber. Immerhin Herrscher über ein Reich, das große Teile Europas und nicht zuletzt die Gold- und Silberquellen Amerikas beherrschte. Auch die Habsburger strebten nach der Weltherrschaft, auch die Habsburger verfügten über nahezu unbegrenzte materielle Ressourcen.

Von Rhodos bis Lepanto

Das Buch „Entscheidung im Mittelmeer“, in dem Roger Crowley die großen Schlachten, die schillernden Persönlichkeiten, die gegeneinander angetreten waren, den Aufstieg von Seeräubern zu Herrschern oder das bittere Los der Galeerensklaven schildert, erschöpft sich nicht in Kriegsgeschichte. Rhodos, die Schlacht um Malta, die Eroberung Zyperns und eben das unglaubliche Gemetzel bei Lepanto, der letzten großen Galeerenschlacht der Geschichte, sind lediglich Meilensteine und zwangsläufige Ergebnisse eines hervorragend geschilderten Geflechts machtpolititisch- strategischen Interessengemenges. Immerhin gehörten zu den Protagonisten der Auseinandersetzung um die Weltherrschaft nicht nur die Hohenzollern und der osmanische Sultan. Am Ende war es der Papst, dem es gelungen war, für einen historischen Augenblick die christlichen Ressourcen zusammenzubringen und in der Flotte münden zu lassen, die schließlich die Schlacht bei Lepanto, die andererseits von den weltlichen Herrschern nicht wirklich beabsichtigt war, siegreich bewältigt hatte.

Die Galeassen Venedigs

Und wenn es um Galeeren und Mittelmeer geht, dann darf die Handels- und bei Bedarf auch Militärmacht Venedig nicht vergessen werden. Der christliche italienische Dogenstaat hatte eigentlich immer recht gute Beziehungen zum Sultan gepflegt, für eine Handelsmacht sind militärische Konflikte schließlich Gift. In der Schlacht bei Lepanto, waren es dann aber die venezianischen Galeassen, die sich als Geheimwaffe der christlichen Flotte entpuppt hatten. Selbst Galeeren des christlichen französischen Valois- Königtums, das als Gegner der Hohenzollern lange Zeit mit Suleiman paktiert hatte, gehörten übrigens zur christlichen Flotte bei Lepanto. Zum globalen Machtspiel des 16. Jahrhunderts, das Crowley in „Entscheidung im Mittelmeer“ virtuos beschreibt gehören natürlich auch Iwan der Schreckliche in Moskau, Heinrich VIII. und Elisabeth I. von England, Schah Ismail im Iran oder der Mogulherrscher Akbar in Indien. Auch das Reich Suleimans und seines Nachfolgers Selim war von Gegnern umzingelt, auch im osmanischen Reich gab es Machtkämpfe. Und so ist es kein Wunder, das das Mittelmeer zwar der strategische Dreh- und Angelpunkt der christlich- osmanischen Auseinandersetzung um die Weltherrschaft gewesen war, nicht aber zu jeder Zeit die Hauptaufmerksamkeit der Kontrahenten auf sich gezogen hatte.

„Entscheidung im Mittelmeer“ Lesevergnügen und Bildung

Roger Crowleys Buch „Entscheidung im Mittelmeer“ ist packend geschrieben, man möchte es kaum aus der Hand legen. Angesichts der sehr komplexen Zusammenhänge, die dem Leser im Rahmen des Buches vermittelt werden müssen, hat Crowley eine wahre Meisterleistung vollbracht. Nicht nur die Schlachtszenerien, sondern auch die Protagonisten kann der Leser bildhaft vor sich sehen, er wird geradezu eingebunden in die Ereignisse, die er beispielsweise bei der Schlacht um Malta beinahe körperlich zu spüren glaubt. Eine tolle Lektüre, ein Erlebnis, das zudem auch noch durch seine inhaltliche Kompetenz besticht. Hier gilt der Satz: Lesen macht Spaß und bildet.

Roger Crowley: Entscheidung im Mittelmeer – Europas Seekrieg gegen das Osmanische Reich 1521-1580. Theiss 2009. Gebunden mit Schutzumschlag, 304 Seiten.

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