Freitag, 12. Oktober 2012

Interview mit Renate Hupfeld


Über Theodor Althaus und das Schreiben

Renate Hupfeld schreibt Gedichte, Reiseberichte, Kurzgeschichten und historische Erzählungen. Viele ihrer Arbeiten beziehen sich auf die Region, in der sie lebt, auf Westfalen und auch ihren Wohn- und Arbeitsort Hamm. Wohl ganz besonders hat es der Autorin der Journalist Theodor Althaus - eng verbunden mit dem revolutionären Geschehen der Zeit um 1848 - angetan.

Kultur-Strom: Frau Hupfeld, Sie sind Mitglied mehrerer Autorengruppen und –projekte und Ihr literarisches Spektrum erscheint bei einem Blick auf Ihre Autorenhomepage recht breit. Sind es in erster Linie das Schreiben, die Faszination der literarisch-sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, oder eher die Themen, die Sie umtreiben?

Renate Hupfeld: Die Entwicklung meines Schreibens ging vom Tagebuch über Textverarbeitung zur eigenen Homepage, auf der ich seit 1999 Texte und Fotoberichte publiziere. Anregungen zum literarischen Schreiben und Austausch fand ich in Schreibgruppen und Workshops. Im Vordergrund stehen die Themen, die das Leben vorgibt.

Kultur-Strom: Sie sind ja eher zufällig auf Theodor Althaus gestoßen und auch die Publikation ihrer erzählten Biografie des revolutionären Geistes war ja eher ein Entwicklungsprozess denn ein von Beginn an klar anvisiertes Ziel. Warum fasziniert Sie der Theologe, Schriftsteller und Journalist des Vor- und Nachmärz so.

Renate Hupfeld: Auf der Suche nach interessanten Frauen im 19. Jahrhundert lief mir Theodor Althaus  über den Weg, und zwar als Freund von Malwida von Meysenbug. Mich faszinierte ihre  für die Zeit ungewöhnliche Selbständigkeit, sodass ich einige Episoden aus ihrem Leben  literarisch bearbeitete, immer aus Sicht der Frau und im Hinterkopf das Spannungsfeld zwischen der Aristokratin und ihrer Zuneigung zu dem rebellischen Demokraten Althaus. (E-Book: Malwida und der Demokrat) Wie aber hatte er das alles erlebt? Wie tickten denn die Männer zur Zeit des Vormärz?  So begann ich mich mit ihm näher zu beschäftigen.

Kultur-Strom: Trotzdem, die Frage, warum gerade er, bleibt meines Erachtens immer noch offen. In der Biografie begegnen dem Leser eine ganze Reihe von Personen im Umfeld Theodor Althausens, die wenigstens ebenso intelligent, unbeugsam und sendungsbewusst waren, wie Ihr Protagonist. Was ist gegenüber diesen Personen - von denen Einzelne ja noch ein wenig mehr als „nur Nachteile“ erleiden musste - für Sie das ganz Besondere an Althaus?

Renate Hupfeld:  Stimmt. Bei den Recherchen begegneten mir auch andere „Goldschätze“, die es verdient hätten, gehoben zu werden, zum Beispiel Hermann Kriege aus dem westfälischen Lienen und Franz Raveaux aus Köln, beide sehr jung gestorben. Theodor Althaus vielleicht auch deshalb, weil ich vom Aisthesis Verlag Bielefeld die Möglichkeit bekam, eine Sammlung seiner Texte zusammenzustellen, zu kommentieren und mit Vorwort und Kurzbiografie versehen zu publizieren. Nachdem „Zeitbilder 1840 – 1850“ im Januar 2010 erschienen war, wusste ich so viel über meinen Protagonisten, dass ich das Bedürfnis hatte, Leben und Schaffen dieses brillanten Theologen, Schriftstellers und Journalisten zu dokumentieren  und dabei nicht nur aufzuzeigen, mit welcher Ignoranz und Geringschätzung die Herrschenden  in Deutschland mit jungen hoffnungsvollen Talenten umgingen, sondern auch wie sie die  Bemühungen vieler fähiger Kämpfer für Einheit und Demokratie kaltblütig zertraten.

Kultur-Strom: „Malwida trifft . . . “  ist der Arbeitstitel ihres nächsten größeren Schreibprojektes. Und bei all Ihrer Begeisterung für Malwidas Freund Theodor Althaus, sehe ich eigentlich Malwida von Meysenburg als ihre spezielle literarische Protagonistin.

Renate Hupfeld: Einen Monat nach dem Tod von Theodor Althaus musste Malwida Deutschland verlassen  und sich  in der Emigration ohne Hilfe der Familie auf eigene Beine stellen. Das war eine großartige Leistung. Sie  hatte wohl ein herausragendes Talent, sich immer in der Nähe interessanter Menschen jener Zeit  aufzuhalten. Ich denke an Gottfried Kinkel, Alexander Herzen und  Guiseppe Mazzini, um zunächst bei den Revolutionären zu bleiben.

Kultur-Strom: Sie erwähnen den – so habe ich es nach ausführlichem Studium Ihrer Internetpräsenz verstanden – eigentlichen Ausgangspunkt für Ihre Beschäftigung mit Theodor Althaus nie direkt: Ihren nach Australien ausgewanderten Vorfahren. Warum steht diese spannende Geschichte eigentlich so im publizistischen Hintergrund bei Ihrer Generalfrage: ‚Wie sah es im Deutschland zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus, wenn so viele Menschen ihr Heimatland verließen und nach England, Amerika oder sogar Australien auswanderten?’

Renate Hupfeld:  Ausgangspunkt war  in der Tat die von ihnen erwähnte Frage. Doch wo bekommt man Informationen? Nicht unbedingt von den einfachen Leuten vom Dorf, sondern von denen, die schriftliche Dokumente hinterlassen haben. Hach, da kriege ich ja gerade den Bogen zu Theodor Althaus: Ich stelle mir vor, er hätte seine Landpfarrerträume in einem Dorf am Meißner verwirklichen können. Doch mit seiner politischen Einstellung nicht denkbar. Die Hupfelds aus dem Meißnerort Germerode werden wohl aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen haben, da können wir nur spekulieren.

Kultur-Strom: Es ist ja unwahrscheinlich, dass es auch ein „Malwida trifft Hupfeld“ geben wird. Dennoch, dürfen wir damit rechnen Sie auch mit dieser interessanten und auf Ihrer Homepage dokumentarisch, eher in Form von Rohmaterialen dargestellten Geschichte eine literarische Antwort auf Ihre Frage:  : ‚Wie sah es im Deutschland zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus, wenn so viele Menschen ihr Heimatland verließen und nach England, Amerika oder sogar Australien auswanderten?’ geben werden?

Renate Hupfeld: Friedrich Wilhelm Hupfeld, der 1845 nach Australien ausgewandert ist, hat seinen Platz in meinem Reisebericht, den ich gerade zur Publikation vorbereite, allerdings mit dem Focus auf die weiteren Entwicklungen in Down Under. Ja, es gibt noch so viel Stoff und der Tag hat nur 24 Stunden.

Kultur-Strom: Frau Hupfeld, vielen Dank für das offene Gespräch.


1 Kommentar:

  1. Ein hochinteressantes Interview mit einer Autorin, die mit beiden Beinen fest auf ihrem Heimatboden steht und von diesem geprägt schreibt.

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