Über Theodor
Althaus und das Schreiben
Renate Hupfeld schreibt Gedichte,
Reiseberichte, Kurzgeschichten und historische Erzählungen. Viele ihrer
Arbeiten beziehen sich auf die Region, in der sie lebt, auf Westfalen und auch
ihren Wohn- und Arbeitsort Hamm. Wohl ganz besonders hat es der Autorin der
Journalist Theodor Althaus - eng verbunden mit dem revolutionären Geschehen der
Zeit um 1848 - angetan.
Kultur-Strom: Frau Hupfeld, Sie sind Mitglied mehrerer
Autorengruppen und –projekte und Ihr literarisches Spektrum erscheint bei einem
Blick auf Ihre Autorenhomepage recht breit. Sind
es in erster Linie das Schreiben, die Faszination der literarisch-sprachlichen
Ausdrucksmöglichkeiten, oder eher die Themen, die Sie umtreiben?
Renate Hupfeld: Die Entwicklung meines
Schreibens ging vom Tagebuch über Textverarbeitung zur eigenen Homepage, auf
der ich seit 1999 Texte und Fotoberichte publiziere. Anregungen zum
literarischen Schreiben und Austausch fand ich in Schreibgruppen und Workshops.
Im Vordergrund stehen die Themen, die das Leben vorgibt.
Kultur-Strom: Sie sind ja eher zufällig auf Theodor
Althaus gestoßen und auch die Publikation ihrer erzählten Biografie des
revolutionären Geistes war ja eher ein Entwicklungsprozess denn ein von Beginn
an klar anvisiertes Ziel. Warum fasziniert Sie der Theologe, Schriftsteller und
Journalist des Vor- und Nachmärz so.
Renate Hupfeld: Auf der Suche nach
interessanten Frauen im 19. Jahrhundert lief mir Theodor Althaus über den Weg, und zwar als Freund von Malwida
von Meysenbug. Mich faszinierte ihre für
die Zeit ungewöhnliche Selbständigkeit, sodass ich einige Episoden aus ihrem
Leben literarisch bearbeitete, immer aus
Sicht der Frau und im Hinterkopf das Spannungsfeld zwischen der Aristokratin
und ihrer Zuneigung zu dem rebellischen Demokraten Althaus. (E-Book: Malwida
und der Demokrat) Wie aber hatte er das alles erlebt? Wie tickten denn die
Männer zur Zeit des Vormärz? So begann
ich mich mit ihm näher zu beschäftigen.
Kultur-Strom: Trotzdem, die Frage, warum gerade er,
bleibt meines Erachtens immer noch offen. In der Biografie begegnen dem Leser
eine ganze Reihe von Personen im Umfeld Theodor Althausens, die wenigstens
ebenso intelligent, unbeugsam und sendungsbewusst waren, wie Ihr Protagonist.
Was ist gegenüber diesen Personen - von denen Einzelne ja noch ein wenig mehr
als „nur Nachteile“ erleiden musste - für Sie das ganz Besondere an Althaus?
Renate Hupfeld: Stimmt. Bei den Recherchen begegneten mir auch
andere „Goldschätze“, die es verdient hätten, gehoben zu werden, zum Beispiel
Hermann Kriege aus dem westfälischen Lienen und Franz Raveaux aus Köln, beide
sehr jung gestorben. Theodor Althaus vielleicht auch deshalb, weil ich vom
Aisthesis Verlag Bielefeld die Möglichkeit bekam, eine Sammlung seiner Texte
zusammenzustellen, zu kommentieren und mit Vorwort und Kurzbiografie versehen zu
publizieren. Nachdem „Zeitbilder 1840 – 1850“ im Januar 2010 erschienen war,
wusste ich so viel über meinen Protagonisten, dass ich das Bedürfnis hatte,
Leben und Schaffen dieses brillanten Theologen, Schriftstellers und Journalisten
zu dokumentieren und dabei nicht nur aufzuzeigen,
mit welcher Ignoranz und Geringschätzung die Herrschenden in Deutschland mit jungen hoffnungsvollen
Talenten umgingen, sondern auch wie sie die Bemühungen vieler fähiger Kämpfer für Einheit
und Demokratie kaltblütig zertraten.
Kultur-Strom: „Malwida trifft . . . “ ist der Arbeitstitel ihres nächsten größeren
Schreibprojektes. Und bei all Ihrer Begeisterung für Malwidas Freund Theodor
Althaus, sehe ich eigentlich Malwida von Meysenburg als ihre spezielle
literarische Protagonistin.
Renate Hupfeld: Einen Monat nach dem
Tod von Theodor Althaus musste Malwida Deutschland verlassen und sich
in der Emigration ohne Hilfe der Familie auf eigene Beine stellen. Das
war eine großartige Leistung. Sie hatte wohl
ein herausragendes Talent, sich immer in der Nähe interessanter Menschen jener
Zeit aufzuhalten. Ich denke an Gottfried
Kinkel, Alexander Herzen und Guiseppe
Mazzini, um zunächst bei den Revolutionären zu bleiben.
Kultur-Strom: Sie erwähnen den – so habe ich es nach
ausführlichem Studium Ihrer Internetpräsenz verstanden – eigentlichen
Ausgangspunkt für Ihre Beschäftigung mit Theodor Althaus nie direkt: Ihren nach
Australien ausgewanderten Vorfahren. Warum steht diese spannende Geschichte
eigentlich so im publizistischen Hintergrund bei Ihrer Generalfrage: ‚Wie sah
es im Deutschland zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus, wenn so viele Menschen
ihr Heimatland verließen und nach England, Amerika oder sogar Australien
auswanderten?’
Renate Hupfeld: Ausgangspunkt war in der Tat die von ihnen erwähnte Frage. Doch
wo bekommt man Informationen? Nicht unbedingt von den einfachen Leuten vom Dorf,
sondern von denen, die schriftliche Dokumente hinterlassen haben. Hach, da
kriege ich ja gerade den Bogen zu Theodor Althaus: Ich stelle mir vor, er hätte
seine Landpfarrerträume in einem Dorf am Meißner verwirklichen können. Doch mit
seiner politischen Einstellung nicht denkbar. Die Hupfelds aus dem Meißnerort
Germerode werden wohl aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen haben,
da können wir nur spekulieren.
Kultur-Strom: Es ist ja unwahrscheinlich, dass es auch
ein „Malwida trifft Hupfeld“ geben wird. Dennoch, dürfen wir damit rechnen Sie
auch mit dieser interessanten und auf Ihrer Homepage dokumentarisch, eher in
Form von Rohmaterialen dargestellten Geschichte eine literarische Antwort auf
Ihre Frage: : ‚Wie sah es im Deutschland
zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus, wenn so viele Menschen ihr Heimatland
verließen und nach England, Amerika oder sogar Australien auswanderten?’ geben
werden?
Renate Hupfeld: Friedrich Wilhelm
Hupfeld, der 1845 nach Australien ausgewandert ist, hat seinen Platz in meinem
Reisebericht, den ich gerade zur Publikation vorbereite, allerdings mit dem
Focus auf die weiteren Entwicklungen in Down Under. Ja, es gibt noch so viel
Stoff und der Tag hat nur 24 Stunden.
Kultur-Strom: Frau Hupfeld, vielen Dank für das offene
Gespräch.
Ein hochinteressantes Interview mit einer Autorin, die mit beiden Beinen fest auf ihrem Heimatboden steht und von diesem geprägt schreibt.
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